Unternehmen & Trends 1/2024

Unternehmen & Trends Digitalausgabe 01/2024 Industrie 4.0 – Innovationen – IT-Solutions – Top-Arbeitgeber

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3 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Die globalen Rahmenbedingungen für unsere Industrie könnten in der Tat nicht viel schlechter sein. Der Ukraine-Krieg belastet unsere Haushalte nicht nur in diesem Jahr, sondern auch auf Sicht in einer derzeit nicht absehbaren Dimension. Der Gaza-Konflikt droht, sich zu einer über die regionalen Grenzen des Nahen Ostens hinausgehenden Auseinandersetzung mit der arabischen Welt zu entwickeln. Erste Anzeichen sind an den Ölmärkten zu spüren und belasten unsere mit hohen Energiekosten eh schon kämpfende Industrie zusätzlich. Huthi-Rebellen stören mit ihren Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer und in der Straße von Bab al-Mandab den internationalen Schiffverkehr empfindlich und lassen erst kürzlich wieder mühsam reinstallierte Lieferketten erneut reißen. In dieser Situation geht die OECD im Vergleich zu 2023 für 2024 von einer Abschwächung des weltweiten Wirtschaftswachstums aus. Der Weltwirtschaft prognostiziert sie in diesem Jahr einen Zuwachs von 2,9 Prozent. 2023 waren es noch 3,1 Prozent. Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr lediglich ein Wachstum des BIP um 0,2 Prozent und korrigiert ihre Prognose vom Herbs 2023 um 1,1 Prozent deutlich nach unten. In 2025 wird ein Wachstum von 1,0 Prozent erwartet. Damit befindet sich Deutschland in einer Stagnation und liegt hinter anderen Wirtschaftsnationen wie beispielsweise den USA, die einen Zuwachs von 2,9 Prozent erwarten. Auch die EuroZone liegt mit einer Wachstumserwartung von 1,5 Prozent über dem deutschen Niveau. Dass wir uns damit nicht zufriedengeben können, steht außer Frage. Es besteht Handlungsbedarf und dies wurde von den Verbänden der Deutschen Wirtschaft auch deutlich gegenüber der Regierung adressiert. Ein spürbarer Bürokratieabbau, beschleunigte Genehmigungsverfahren, Stabilität der Energiekosten und das forcierte Fördern von Digitalisierung und neuen Technologien wie zum Beispiel KI sind die Ecksteine notwendigen politischen Handels. Ziel muss sein, solche Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb deren unsere Industrie ihre Leistungs- und internationale Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen kann. Einen Eindruck dieser nach wie vor hohen und im internationalen Vergleich bedeutsamen, innovativen und geachteten Leistungsfähigkeit wird die ab dem 22. April 2024 stattfindende Hannover Messe vermitteln. Insgesamt 4000 Aussteller, darunter allein mehr als 300 Startups, aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Digitalindustrie sowie der Energiewirtschaft werden sich unter dem Motto „Energizing a Sustainable Industry“ mit ihrem gesamten Leistungsspektrum präsentieren und Lösungen für eine leistungsfähige und nachhaltige Industrie präsentieren. Mit Norwegen wurde ein Partnerland ausgewählt, das in Fragen der E-Mobilität und bei kohlenstoffarmen industriellen Lösungen im Konzert der Industrienationen eine Vorreiterrolle einnimmt und sich zu einem präferierten und attraktiven Standort für Unternehmen entwickelt hat. Wie auch in den vergangenen Jahren werden von dieser Leistungsschau der deutschen Wirtschaft wertvolle Impulse ausgehen, die mit dazu beitragen werden, eine wieder stärkere ökonomische Entwicklung mitzutragen. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge und wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser eine anregende Lektüre mit dieser neusten Ausgabe von Unternehmen & Trends. Ihre Redaktion Dr. Rudolf Müller und Elisabeth Klock www.vek-onlineservice.de Dr. Rudolf Müller Elisabeth Klock Summary Dear Readers, the global framework conditions for our industry could not be much worse. The war in Ukraine is putting a strain on our budgets not only this year, but also in the long term in a dimension that is currently unforeseeable. The Gaza conflict threatens to develop into a conflict with the Arab world that extends beyond the regional borders of the Middle East. The first signs of this can be seen on the oil markets and are placing an additional burden on our industry, which is already struggling with high energy costs. Houthi rebels are severely disrupting international shipping with their attacks on merchant ships in the Red Sea and in the Strait of Bab al-Mandab and have recently caused supply chains that had been painstakingly reinstalled to break again … Read more https://t1p.de/sd7z

4 EBIT is Queen – but Cash is King! Cash-Verbesserungen entlang der Supply Chain Von Prof. Dr. Heinz-J. Klepzig und Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt 6 Prof. Dr. Heinz-J. Klepzig Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt, AKJ Automotive Datenökosysteme für die Produktion – der nächste Schritt der Digitalisierung Dr. Olaf Sauer, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung, Karlsruhe 8 30 Interview Erfolgsfaktor Unternehmenskultur Interview mit Frau Dr. Martina Fohr, Leadership Advisor für Transport / Logistik / SCM / Chemicals / E-Business bei Spencer Stuart in Frankfurt am Main 14 Dr. Martina Fohr Dr. Rudolf Müller

5 Editorial (Deutsch/Englisch) 3 EBIT is Queen – but Cash is King! 6 Cash-Verbesserungen entlang der Supply Chain Von Prof. Dr. Heinz-J. Klepzig und Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt Datenökosysteme für die 8 Produktion – der nächste Schritt der Digitalisierung Von Dr. Olaf Sauer, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung, Karlsruhe Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud auf der Hannover Messe 2024 Zusammen nach vorne: Partnerschaftlich 12 zu mehr Wertschöpfung Von Friedhelm Loh Group Erfolgsfaktor Unternehmenskultur 14 Interview mit Frau Dr. Martina Fohr, Leadership Advisor für Transport / Logistik / SCM / Chemicals / E-Business bei Spencer Stuart in Frankfurt am Main Arbeiten Sie noch – oder 16 leben Sie schon? Von Gero Brinkbäumer, COSMO CONSULT Group Herausforderungen bei der Harmonisierung 18 des Entwicklungsprozesses in den Domänen Funktionale Sicherheit und Cybersicherheit Von Marc Maußner, Senior Engineer, infoteam Software Gruppe Erfolgreich in die Zukunft: 20 Vier Trends für Unternehmen Von DocuWare Advertorial Wie die IT-Branche mit 21 (Vereinbarkeits-)System den Fachkräfteengpass mindern kann Wer ist zuständig? 22 Die RACI-Matrix klärt auf Von Tom Wloch, Solution Consultant SAP SCM, CONSILIO GmbH Von Getac beauftragte Studie 24 unterstreicht Bedeutung robuster Technologie bei der Transforma- tion von Industriebetrieben Firmenporträts Böllhoff Verbindungstechnik GmbH 26 COSMO CONSULT Gruppe 28 The next step in digital transformation: 30 data ecosystems for production By Dr. Olaf Sauer, Fraunhofer Institute of Optronics, System Technologies and Image Exploitation (IOSB), Karlsruhe Are you still working – 32 or are you already living? By Gero Brinkbäumer, COSMO CONSULT Group Challenges in harmonizing the 34 development process in the functional safety and cybersecurity domains By Marc Maußner, Senior Engineer, infoteam Software Gruppe Onwards: 4 key trends for companies 35 to succeed in the future By DocuWare Company Presentation Böllhoff Verbindungstechnik GmbH 36 COSMO CONSULT Group 38 Aus dem Inhalt/Table of contents

6 EBIT is Queen – but Cash is King! Cash-Verbesserungen entlang der Supply Chain Von Prof. Dr. Heinz-J. Klepzig und Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt Im Fokus des 40. Automobilkongress des AKJ Automotive am 07./08. Mai 2025 steht natürlich das Thema Transformation in den Fabriken und der Supply Chain. Dies erfordert strategische Investitionen u.a. für konkrete Optimierungsmaßnahmen mit dem dafür notwendigen Finanzmitteln. Diese können gezielt mit hierfür geeigneten Maßnahmen freigesetzt werden. Das ist auch der Grund, warum wir im Kongress das Thema „EBIT und CASH“ in einem gesonderten Impuls-Workshop aufgreifen werden. Mit Strategien zur Transformation der Fabriken und Supply Chain sind Cash-Themen eng verknüpft. Deren Bewältigung wird darüber mitentscheiden, wer nach der Transformation noch Zulieferer und/oder Dienstleister in der Autoindustrie sein wird. Die Zeichen der Zeit In „normalen” Zeiten ist ein befriedigender EBIT, also ein befriedigendes operatives Ergebnis, hinreichende Gewähr für die ausreichende Liquidität eines Unternehmens. Doch wir haben derzeit keine „normalen“ Zeiten – Hier sind einige der aktuellen Herausforderungen, die es jetzt gilt zu bewältigen: 1. Anhaltende Lieferkettenprobleme: Globale Unterbrechungen in den Lieferketten, ausgelöst durch Pandemien, geopolitische Spannungen und Naturkatastrophen, führen zu Verzögerungen bei der Lieferung von Vorprodukten und Materialien, was die Produktionszyklen verlängert und Kosten erhöht. 2. Preissteigerungen bei Energie und Rohstoffen: Die zunehmende Volatilität auf den Energie- und Rohstoffmärkten treibt die Kosten für Unternehmen nach oben, was die Margen reduziert und den finanziellen Druck erhöht. 3. Zinssteigerungen: Die von den Zentralbanken als Reaktion auf Inflationstendenzen angehobenen Zinssätze verteuern die Kreditkosten, was die Finanzierungskosten für Investitionen und Betriebskapital erhöht. 4. Fachkräftemangel: Ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in vielen Branchen führt zu erhöhten Lohnkosten und Schwierigkeiten, die Produktion aufrechtzuerhalten oder zu expandieren. 5. Konsumzurückhaltung: Verunsicherung und Kaufkraftverlust bei den Verbrauchern führen zu einer geringeren Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, was den Umsatz drückt. 6. Absatzprobleme: Neben der allgemeinen Konsumzurückhaltung führen spezifische Marktbedingungen und der Wettbewerb zu Herausforderungen beim Verkauf von Produkten, was sich direkt auf den Umsatz und somit auf den EBIT auswirkt. 7. Steigende Betriebskosten: Neben den Rohstoff- und Energiekosten tragen auch steigende Kosten für Logistik und Transport dazu bei, dass die Betriebskosten insgesamt zunehmen, was die Profitmargen weiter schmälert. 8. Regulatorische Änderungen und Unsicherheit: Neue Vorschriften, sei es im Umweltbereich, bei der Produktsicherheit oder im Steuerrecht, können zusätzliche Kosten verursachen und die Geschäftsprozesse komplizieren. 9. Schwankungen bei Währungskursen: Unternehmen, die stark im internationalen Handel engagiert sind, können durch unvorhersehbare Wechselkursbewegungen zusätzlich finanziell belastet werden, was die Planungssicherheit reduziert und den EBIT beeinflusst. 10. Technologische Disruptionen: Die Notwendigkeit, in neue Technologien zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder auf veränderte Verbraucherpräferenzen zu reagieren, erfordert oft erhebliche finanzielle Mittel und kann kurzfristig den EBIT belasten. Diese setzen EBIT enorm unter Druck. Zusätzlich bringen diese Ergebnisse auch die Balance der Zahlungsflüsse aus dem Lot: Cash is King! Ohne ausreichende Liquidität ist ein Unternehmen mausetot! Intensive Liquiditätsstabilisierung ist immer ein Muss für Unternehmen! Hat aber derzeit höchste Priorität! Was sind die Unterschiede zwischen der EBIT- und einer umfassenden Liquiditäts- betrachtung? Der EBIT ergibt sich aus der GuV-Rechnung, die Erträge und Aufwendungen für eine Verursachungsperiode (z.B. Monat) betrachtet. Die Liquiditätsrechnung stellt Einzahlungen und Auszahlungen für eine Bezahlperiode (z. B. Tag, Woche, Monat) gegenüber. Der EBIT oder andere Ergebnisgrößen der GuV-Rechnung sind also als Grundlage für eine Liquiditätsbetrachtung ungeeignet. Demnach ist eine separate Liquiditätsrechnung auf Basis der Einzahlungen und Auszahlungen zielführend. Die Liquiditäts- oder Cashflow-Rechnung erfasst diese Zahlungsströme und fokussiert diese auf die Bezahlperiode (z. B. Monat). Bilder/Grafik: © AKJ Prof. Dr. Heinz-J. Klepzig Prof. Dr. Klaus-J. Schmidt

7 Das Ziel der Cashflow-Betrachtung Wer nicht zahlungsfähig, also illiquide ist, steckt in einer „insolventen“ (lat.: unlösbaren) Situation. Wie bereits formuliert: Cash is King! Ein guter EBIT-Wert allein reicht nicht! Wesentliches Ziel der Cashflow-Verfolgung ist, andauernde Liquidität zu erhalten und Insolvenz zu vermeiden. Was in volatilen Zeiten z.B. bei Umsatzrückgang, steigenden Ressourcen-Preisen, notwendigem Aufbau von Sicherheitsbeständen hoch-anstrengende Herausforderung ist! Und wie verbessert man den Cashflow? Toyota brauchte in den Nachkriegsjahren dringend Cash für die Expansion des Unternehmens. Taiichi Ohno als einer der wesentlichen Vordenker des Toyota Production Systems formulierte „Wir achten ausschließlich auf die Zeitachse – von der Auftragserteilung durch den Kunden bis zum Zahlungseingang. Und wir reduzieren die Zeitstrecke durch Reduzieren der nicht wertschöpfenden Prozesse, also der Verschwendung“. Damit wird die Grundidee des Lean Management beschrieben. Hauptstoßrichtung von Ohno war also nicht die Reduzierung von Kosten, was jedoch in den allermeisten Lean Management-Projekten missverstanden praktiziert wird! Ausdrückliche CashVerbesserung ist das Ziel. Konkret nach Ohno – Die Zeitspanne zwischen Auftragserteilung und Zahlungseingang ist zu verkürzen (sogenannte DSO). Dabei sind – im Kurz-Statement von Ohno nicht erwähnt – auch Kapitalbindung in den Beständen (DIO) und Zahlungsverpflichtungen zum Lieferanten zu berücksichtigen (DPO). Der Cash-to-Cash-Cycle (C2C-Cycle, auch „Working Capital-Zyklus“) fasst die drei genannten Kennzahlen zusammen: C2C = DIO + DSO ./. DPO. Interpretiert gemäß Ohno: Eine an den Lieferanten ausgereichte Geldeinheit soll über Kundenzahlung möglichst schnell an das Unternehmen zurückfließen: eine Verkürzung des C2C verbessert die Cash-Situation. Was sich so selbstverständlich anhört, ist aber nicht selbstverständlich und muss gezielt gestaltet werden: Dies wird erreicht durch Gestaltung von drei Prozessen: 1. Order-to-Cash-Prozess - Ziel: Beschleunigung von Kundenzahlungen (Maßstab: DSO). 2. Forecast-to-Fulfill-Prozess – Ziel: Reduzierung der Vorratsbestände (Maßstab: DIO). 3. Purchase-to-Pay-Prozess – Ziel: Verschiebung eigener Zahlungsabgänge an Lieferanten. Diese drei Prozesse sind nun aber genau der Teil der Supply Chain. Die Folgerung ist: Cashflow-Verbesserungen werden nur durch gezielte Gestaltung der Supply Chain wirksam erreicht. Und wo beginnen wir mit der gezielten Gestaltung? Eine erste Einschätzung der C2C-Performance für ein Unternehmen – und damit Lokalisierung von Verbesserungspotenzialen – ist möglich anhand von Benchmarks, die z. B. von Kreditinstituten, Unternehmensberatungen oder Verbänden für DSO, DPO und DIO erstellt werden. Wie das sich konkret entwickelt hat, zeigt auch eine aktuelle Analyse von Deloitte über die größten 167 deutschen Unternehmen. Kennzahlen sind Indikatoren der Wirklichkeit. Um die Wirklichkeit der Prozesse zu erkennen, muss man „in die Prozesse hineingehen“. Höhere Granularität der Indikatoren erlaubt zwar detailliertere Hinweise. Veränderungen der Prozesse jedoch müssen im realen Ablauf ansetzen … Weiterlesen https://t1p.de/4l0ue Abbildung C2C-fördernde Maßnahmen (Beispiele) 40. Automobilkongress des AKJ Automotive am 07./08. Mai 2025 www.automobilkongress.de VorfeldMarketing Beschaffung Produktion/ Leistungserstellung Distribution Vermarktung Forecasting - Kundensegm. - Produktportfolio - Produktvarianten - …. Lieferantenportfolio Regional Sourcing Lokalisier. krit. Teile Akt. Lieferantenabst. - Produktionsplan -Bestände - Zahlungsbedingungen Advanced Sourcing Tracking & Tracing …. Forecast-Abstimmung Differenzierung Steuerungsmethoden Verstetigung Abläufe Postponement Vorratspolitik Integrierte IT Kd/Lieferant …. Alternative Distributionskanäle Tracking/Tracing KonsolidierungsCenter …. Kundenabstimmung - Produktionsplan -Bestände - Zahlungsbedingungen ….

8 Die Digitalisierung geht weiter! Vor Industrie 4.0 war die Welt noch ‚in Ordnung‘: Produktion und IT waren zwei voneinander getrennte Welten. Die Automatisierungs-Pyramide bildete den Common-Sense ab: die Feldebene mit den Fertigungs-, Montage und Materialflussprozessen, Sensoren, Aktoren, Steuerungen und ihre Echtzeitkommunikation waren weitgehend autark von überlagerten IT-Systemen, natürlich auch vom Internet. Auf der ERP- und der MES-Ebene gab es eigenständige Systeme mit abgegrenzten Funktionalitäten. Mit dem Aufkommen Cyber-physischer Systeme, dem Internet-of-Things, der durchgängigen Vernetzung „vom Sensor in die Cloud“ und kollaborativen Ansätzen beim Datenaustausch haben sich Architektur, das Zusammenspiel und die Verantwortlichkeiten von IT und OT komplett verändert: IT durchdringt Feldgeräte und Maschinen immer stärker. Der Zugriff auf Daten von Feldgeräten und Maschinen innerhalb von Fabriken ist inzwischen Standard, und zwar über alle Ebenen der ehemaligen Automatisierungspyramide. Aus dem Ebenenmodell ist ein Netzwerk geworden, mit Geräten, die wie selbstverständlich mit dem Internet verbunden sind. Viele Unternehmen nutzen Daten aus Maschinen, Anlagen und verbessern so stetig ihre Kennzahlen. Der nächste Schritt ist, Daten über den kompletten Lebenszyklus von Produkten und Anlagen zu sammeln und auszuwerten, und das im Austausch mit anderen Unternehmen: Zulieferern, Kunden, Ausrüstern. So lassen sich weitere Potenziale heben, beispielsweise  i m Engineering, um Produktionsanlagen und ihre Digitalen Zwillinge zu testen und schnell in Betrieb zu nehmen,  e ntlang der Lieferkette, um z.B. lückenlose Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen oder  u m Produktionsprozesse zu verbessern, z.B. indem Prozessparameter aufgrund verschiedener Gegebenheiten oder Messwerte schnell angepasst werden. Datenökosysteme für die Produktion – der nächste Schritt der Digitalisierung Von Dr. Olaf Sauer, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung, Karlsruhe Deutschland hat eine starke industrielle Basis. Es verfügt über weltweit anerkannte Kompetenzen bei Anlagenbetreibern, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Elektro- und Automatisierungsindustrie, der Mikroelektronik und bei eingebetteten Systemen, in der produktionsnahen IT bis hin zur kompletten Systemintegration. Kaum ein anderes Land der Welt hat dieses breite Spektrum von Know-how und Erfahrung. Nur Wertschöpfung schafft Wohlstand! Über viele Jahre waren die Auftragsbücher voll und die Entwicklungs- und Produktionskapazitäten ausgelastet. Die Frage ist: wird das auch in der Zukunft so sein und: wie kann die deutsche Industrie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder sogar noch verbessern? Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Viele Firmen haben in den Jahren seit dem Beginn von „Industrie 4.0“ Schritte in die Digitalisierung gemacht, mehr oder weniger erfolgreich; viele proprietäre Lösungen blieben hinter den Erwartungen zurück. Entsprechend zurückhaltend sind die Unternehmen nun. Damit bleiben sie aber hinter den mit der Digitalisierung verbundenen Potenzialen zurück, z.B. für zusätzliche datenbasierte Dienstleistungen rund um Fabriken, Maschinen und Komponenten und verpassen möglicherweise wichtige Chancen. Tatsächlich ist Digitalisierung für alle Branchen des produzierenden Gewerbes ein strategisches Muss. Egal ob Fabrikbetreiber, Maschinenbauer, Komponentenlieferant oder Automatisierungsanbieter: Digitale Zwillinge, Künstliche Intelligenz, industrielle Datenräume und Datenaustausch über Unternehmensgrenzen hinweg sind die Themen der Zukunft. Das Fraunhofer IOSB entwickelt und liefert seit Jahrzehnten wegweisende Lösungen für die industrielle Automatisierung und Digitalisierung. Zwar haben sich die Schlagworte und Moden über die Jahre verändert; die Aufgabenstellungen sind jedoch ähnlich: heterogene Signale und Daten aus industriellen Prozessen sammeln, kommunizieren, verarbeiten und mit modernen Werkzeugen der Softwareentwicklung in komplexen IT-Komponenten und -Systemen aufbereiten, auswerten und interpretieren. Bilder: © IOSB

9 Asset Management-Systeme verwalten Digitale Zwillinge von Produktionsanlagen über ihren kompletten Lebenszyklus; deren Fähigkeiten, Kapazitäten, Verknüpfungen, Kommunikation, etc. Dies nutzen Business-Applikationen, wie MES-Funktionalitäten, um darauf aufbauend die Reihenfolge von Aufträgen oder Arbeitsgängen zu planen, Werkzeug- und Personaleinsatz zu koordinieren und Zulieferteile in der richtigen Menge punktgenau anzuliefern. Und das alles echtzeitnah, so dass Meister und Produktionsleiter direkt auf eventuelle Änderungen oder Engpässe reagieren können. Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht darüber hinaus Prädiktionen, so dass Fertigung und Montage vom Reagieren zum Agieren kommen. Digitale Zwillinge: Schlüssel zum Datenaustausch Ein Digitaler Zwilling ist das Abbild des physischen ‘Assets‘ in der realen Fabrik und erlaubt dessen Simulation, Steuerung und Verbesserung. Als Digitale Zwillinge werden Produkte sowie Maschinen und ihre Komponenten mit Hilfe Digitaler Werkzeuge modelliert und zwar einschließlich sämtlicher Geometrie-, Kinematik- und Logikdaten. Arbeitsgruppen der Plattform Industrie 4.0 diskutieren Digitale Zwillinge in Verbindung mit der sog. Verwaltungsschale / Asset Administration Shell (AAS). Digitale Zwillinge werden in den kommenden Jahren weiter ausgestaltet. Klar ist, dass es sich dabei nicht um ein monolithisches Datenmodell handelt, sondern um unterschiedliche Aspekte digitaler Repräsentationen, Funktionalitäten, Modelle und Schnittstellen, sog. Teilmodelle. Tatsächlich sind in der Industrie an vielen Stellen solche Teilmodelle Digitaler Zwillinge im Aufbau, um z.B. das Verhalten von Maschinen und Komponenten aufzunehmen und abzubilden. Aus Sicht der industriellen Produktion und seines Engineerings umfassen Digitale Zwillinge beispielsweise folgende Aspekte:  M odellbasierte Selbstbeschreibungen mit dem Ziel von Autoidentifikation und Autokonfiguration, z.B. damit sich Maschinen und ihre Komponenten mit Hilfe von mitgelieferten Treiberinformationen am MESSystem oder im industriellen IoT-System mit ihren Fähigkeiten und Diensten anmelden („PLUGandWORK“).  B eschreibung von Fähigkeiten (‚Skills‘) von Produktionsanlagen, bestimmte Fertigungsverfahren wie Drehen, Bohren, Fräsen oder MAG-Schweißen ausführen zu können oder Materialflussfunktionen wie Heben oder Stetigfördern durchzuführen. Außerdem umfassen die Fähigkeiten Attribute und ihre zulässigen Wertebereiche sowie ggfs. Teile der Logik. Mit diesen Beschreibungen und entsprechenden Ablaufbeschreibungen können Produktionsmittel schnell zu Anlagen für neue Fertigungsaufgaben zusammengebaut, konfiguriert und in Betrieb genommen werden.  D atenbasierte Modelle des Normalverhaltens einer Maschine, einer Linie oder einer kompletten Produktion, basierend auf Laufzeitdaten, die aus dem realen Betrieb, z.B. auf Basis einer Maschinendatenerfassung mit Hilfe maschinellen Lernens, gewonnen werden. So können Digitale Zwillinge dazu genutzt werden, Ausfälle von Maschinen oder Komponenten zu prognostizieren und – in der Zukunft – Verbesserungsvorschläge datenbasiert automatisiert zu generieren. Hier wird deutlich, dass MES-Funktionen zum Aufbau Digitaler Zwillinge unerlässlich sind. Sie erfassen und speichern Produkt-, Prozess- und Ressourcendaten, die Maschinen und Anlagen liefern oder Messsysteme in Form von Qualitätsdaten.  O ffline- und Online-Simulationen einschließlich spezieller Simulatoren, z.B. für Finite Elemente, Virtuelle Inbetriebnahme oder die Simulation physikalischer Prozesse. Im Idealfall interagieren verschiedene Simulationsmodelle miteinander. Der Begriff des Digitalen Zwillings ist in der Vergangenheit oft mit der Simulation gleichgesetzt worden; aus heutiger Sicht ist diese Definition jedoch zu eng.  D ie Digitale Fabrik beschreibt ein „umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Methoden und Werkzeugen (…)“ , „die durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden“, z.B. für Produktions- und Materialflussanlagen, Gebäude und Technische Gebäudeausrüstung (VDI 4499, Blatt1). Der Begriff der Digitalen Fabrik ist seit langem bekannt und in einschlägigen Standards beschrieben, z.B. der Richtlinienreihe 4499 des VDI.  Z u vollständigen Digitalen Zwillingen gehören außerdem IT-Sicherheit, Zugriffsrechte, Zertifikatshandling, Versionsmanagement und Kompatibilitätstests verschiedener Versionen Digitaler Zwillinge.  I nteroperabilität auf Basis offener Standards ist schließlich die Voraussetzung, Digitale Zwillinge zwischen Unternehmen auszutauschen, die Teil von Datenökosystemen sind. In Projekten wie Catena-X oder Factory-X wird dies eindrucksvoll und praxisnah erprobt und nachgewiesen. Digitale Zwillinge sind für Industrie 4.0 und die weitere Digitalisierung der Fertigung essentiell. Ihr Inhalt entsteht in den verschiedenen Lebenszyklusphasen eines Produkts oder einer Fabrik, mit unterschiedlichen Werkzeugen auf diversen Plattformen. Aus den Beispielen in der Praxis ist schon jetzt ersichtlich, dass Digitale Zwillinge sehr anwendungsspezifisch und für jedes Unternehmen maßgeschneidert zu definieren sind. Aktuelle Beispiele für den Einsatz und den Nutzen Digitaler Zwillinge liefern Unternehmen der Automobilindustrie und deren Zulieferer, die schon immer sehr fortschrittlich waren, wenn es darum ging, Werkzeuge und Systeme der Digitalen Fabrik zu nutzen oder Teile und Fahrzeuge zu identifizieren und zu verfolgen. Konkrete Projekte sind Digitale Zwillinge von Produkten und in Form komplett digitalisierter Produktlebenslaufakten oder von Produktionsanlagen; beispielsweise geht es bei den Anlagen darum, Qualitätsdaten mit Prozessparametern zu korrelieren, so dass bei n.i.O.-Teilen Prozessparameter nachgeregelt werden können. Hier kommen auch die Zulieferer ins Spiel, da die OEMs mehr Daten zu den Produkten und Prozessen fordern, um damit ihre eigenen Prozesse zu verbessern. Konkretes Beispiel sind Daten zu Coils, die im Presswerk zu Platinen und Tiefziehteilen verarbeitet werden. Je feingranularere Messwerte der Stahlhersteller mit dem Coil mitliefert, umso besser lassen sich Tiefziehparameter einstellen, um Risse oder andere n.i.O.-Merkmale zu verhindern oder sogar vorherzusehen. Keine Angst vor Kooperation! Zusätzlich zu den traditionellen hardwarenahen Kompetenzen müssen Fabrikbetreiber und deren Ausrüster also schnell umfassende Kompetenzen lernen und beherrschen, um neue Methoden und Werkzeuge wie Gaia-X, Plattformen und Datenökosysteme, Datensicherheit und -souveränität, etc. nutzbringend um- und einsetzen zu können. Dies alles wird nicht im Alleingang erfolgreich sein: Der tatsächlich existierende Wissensrückstand kann nur in Kooperation mit gleichgesinnten Partnern aufgeholt werden. Der sichere Austausch von Daten fördert Kooperation und Innovation innerhalb des Ökosystems und ermöglicht es so, neue Geschäftsmodelle wirtschaftlich umzusetzen, die bislang nicht einträglich waren. Basis eines solchen Datenökosystems ist der sichere, für authentifizierte Teilnehmer offene und transparente Zugang zu Daten für alle Ökosystemteilnehmer. Datenrauminitiativen wie Catena-X oder Factory-X verfolgen das klare Ziel, Fitness-Programme zur Digitalisierung des deutschen produzierenden Mittelstandes zu schaffen und damit den Standort Deutschland insgesamt zu stärken. Industrie 4.0-Blog Dr. Olaf Sauer

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Das Herzstück jedes Unternehmens ist die Kommunikation mit Kunden und Lieferanten. Immer öfter sind hier EDI-Standards gefordert, und zwar von allen Unternehmen in der jeweiligen Lieferkette. Für diese Herausforderung bietet der webDAX eine intelligente Lösung – und den HÜNGSBERG-Bonus! Der webDAX ist ein professionelles und sicheres EDI-System, das cloudbasiert und als Portallösung allen Unternehmen ganz einfach zur Verfügung steht. Mit dem webDAX ist es möglich, die gesamte Lieferkette umfassend EDI-fähig zu machen. Und das unabhängig von der Systemumgebung. Unternehmen, z.B. aus Automotive, Industrie, Handel und Logistik profitieren selbst – und optimieren den Erfolg des ganzen Partner-Netzwerks. webDAX Cloud-EDI Als Lieferant nutzen Sie die webDAX Cloud EDI-Lösung, sind schnell und einfach EDI-fähig – und bleiben im Spiel! Ein Computer mit Browser reicht dafür aus. Sie profitieren von einer durchgängig professionellen EDI-Lösung – und von der Zufriedenheit Ihrer Kunden. webDAX EDI-Portallösung Über das webDAX EDI-Portal binden Sie kleinere Partnerbetriebe und Sublieferanten unkompliziert und sicher an Ihr EDI-System an, wenn diese nicht über eine EDI-Lösung verfügen. So machen Sie Ihre gesamte Lieferkette EDI-fähig und gewährleisten einen professionellen Nachrichten-Austausch mit allen Beteiligten. HÜNGSBERG: EDI-Pionier und führender Anbieter im Bereich Datenaustausch für Engineering und Logistik Schon seit 1981 entwickeln wir leistungsstarke automatisierte Kommunikationslösungen unter anspruchsvollsten Bedingungen. Seither wissen wir, worauf es bei EDI-Lösungen ankommt. Auch der webDAX basiert auf 40 Jahren HÜNGSBERG-Expertise und ist erfolgreich im Einsatz in den Branchen Automotive, Handel und Logistik. webDAX – DIE EDI-ALTERNATIVE OHNE ERP Vorteile für webDAX-Nutzer Ihr Highlight: Schnell EDI-fähig, auch ohne ERP-System und damit Zugang zum gesamten Partnernetzwerk. Weniger Fehler und weniger Aufwand durch intelligente Funktionen des Systems sowie automatisierte Dokumentenerstellung. Vorausschauend: Die E-Rechnung ist automatisch inklusive (diese ist ab 2025 Pflicht). Einfache, intuitive Bedienung und erstklassiger Support, sollten Sie uns doch einmal brauchen. Vorteile für webDAX- Portalbetreiber Ihr Highlight: Einfache Anbindung nicht EDI-fähiger Geschäftspartner mit einem professionellen, komfortablen Web EDI- System – und damit mehr Effizienz und Sicherheit. Nicht-EDI-fähige Lieferanten können per webDAX genauso wie beim klassischen EDI per OFTP2 oder AS2 behandelt werden – mit nur je einem Mapping pro anzubin- dendem Nachrichtenformat. Die Inbetriebnahme des webDAX-Portals ist in kurzer Zeit möglich. Das Hüngsberg-Extra ist die komfortable Packplatzfunktion und Packmittelfixierung. Die passenden Packmittel (z.B. Kartons oder Boxen) lassen sich per Drag and Drop zusammenstellen. Das webDAX Portal kann auf individuelle Anforderungen angepasst werden, mit Voreinstellungen für ausgewählte Liefe- ranten etc. „Mit dem webDAX bieten wir eine komfortable und professionelle EDIPortallösung für alle Unternehmen, die gefordert sind, Nachrichten über EDI mit ihren Geschäftspartnern auszutauschen. Der webDAX ist in kurzer Zeit startklar, die Investition vergleichsweise gering und selbstverständlich bieten wir auch zu dieser EDI-Lösung unseren bekannt erstklassigen Support.“ Tania Hüngsberg-Cengil Inhaberin und Geschäftsführerin Jetzt kennenlernen: webDAX vom EDI-Pionier HÜNGSBERG www.huengsberg.com

12 Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud auf der Hannover Messe 2024 Zusammen nach vorne: Partnerschaftlich zu mehr Wertschöpfung Von Friedhelm Loh Group Die Industrie befindet sich in einem Spannungsfeld: Neben Herausforderungen in der Rezession, entlang der Lieferketten und bei der Gewinnung von Fachkräften steht vor allem die Notwendigkeit zur schnelleren digitalen Transformation und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Welche Chancen sich durch die Kombination von Software- und Hardware-Lösungen – über ganze Ökosysteme hinweg – ergeben, zeigen die vier Unternehmen Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud auf der Hannover Messe 2024. Gemeinsam treten sie mit den Besucherinnen und Besuchern in den Dialog zu den Feldern Industrial Automation, Panel Building, Energy Transition und Smart Factory. Das Ziel: Partnerschaftlich mehr Wertschöpfung zu schaffen. Die Industrie befindet sich inmitten der digitalen Transformation. Gleichzeitig muss sie Anforderungen nach mehr Nachhaltigkeit erfüllen – der Weg zur „All-Electric Society” etwa hat hohe Priorität. Eine große Aufgabe, die mit einer sinkenden Zahl von Fachkräften bewältigt werden muss. Der Schlüssel aus Sicht der Unternehmen der Friedhelm Loh Group liegt in der Optimierung und Industrialisierung von Prozessen entlang der Wertschöpfungsketten. Auf der Hannover Messe zeigen Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud, wie Kunden schnell vorankommen können: „Das Handlungsprinzip der Industrialisie- rung gesamter Prozessketten braucht die kluge Kombination von Software und Hardware. Dies funktioniert jedoch nur auf der Grundlage von Datendurchgängigkeit entlang der gesamtem Wertschöpfungskette“, sagt Markus Asch, CEO Rittal International und Rittal Software Systems: „Unser Ansatz sind standardisierte, modulare Lösungen, die genau zur konkreten Anwendung passen. Dafür braucht es genaue Kenntnis der Kundenprozesse und engen Austausch auf Augenhöhe mit den Kunden. Auf der Hannover Messe zeigen wir Ergebnisse dieser Zusammenarbeit und Beispiele, wie die Effizienz und Produktivität unserer Kunden entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsprozesse – end-to-end – gesteigert werden kann.” Einen schnellen Einstieg anhand ihrer Applikationen finden Kunden über die vier Themenfelder Industrial Automation, Panel Building, Energy Transition und Smart Factory. Von dort aus werden in vier Deep-DiveBereichen konkret Produkte, Software- und Systemlösungen für spezifische Bedarfe vorgestellt. Industrial Automation: Mehr Effizienz Wie kann Standardisierung im Engineering mehr digitale Durchgängigkeit und Efiizienz bringen – und dies für unterschiedliche Aufgabenstellungen in der Automatisierungstechnik? Eplan gibt etwa erste Einblicke in Cable proD, eine künftige Software zur virtuellen Verkabelung von Maschinen sowie in erweiterte Funktionen der App „eView AR”, die per Augmented Reality den realen Schaltschrank mit seinem Digitalen Zwilling überlagert. Zudem können Anwender auf Einblicke in die kommende Eplan Plattform 2025 gespannt sein. Cideon stellt die Software Sparify vor, die mit Informationen aus CAD-Modellen und PDM das Teilemanagement vereinfacht. Panel Building: Mehr Produktivität Wie kann der Steuerungs- und Schaltanlagenbau in Zeiten des Fachkräftemangels noch effizienter und produktiver werden? Schlüssel ist die Datendurchgängigkeit entlang der Wertschöpfungskette vom elektrischen Engineering über Systemtechnik und Panel Building bis in die digitale Welche Chancen sich durch die Kombination von Software- und Hardware-Lösungen – über ganze Ökosysteme hinweg – ergeben, zeigen die vier Unternehmen Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud auf der Hannover Messe 2024. Bilder: © Friedhelm Loh Group

13 Rittal, Eplan, Cideon und German Edge Cloud auf der Hannover Messe 2024, Halle 11, Stand E6 Operations-Phase der Anlagen. Rittal erweitert die Möglichkeiten mit Neuheiten bei der AX Gehäuseserie, dem neuen CX Pultsystem oder anreihbaren CS Toptec OutdoorSchränken sowie mit energiesparenden Kühllösungen. Rittal Automation Systems erhöht die Automatisierung auf dem Shopfloor mit dem optimierten Cutting Terminal CT M3 sowie neuen Maschinen der Firma Ehrt, wie dem Bending Terminal BT 20E zum Biegen von Stromschienen oder dem Punching Terminal PT S4 für den einfachen Einstieg in die Stromschienenbearbeitung. Einen Blick in die Zukunft wirft Rittal mit einer Concept Machine für vollautomatische Verdrahtung von Steuerungskomponenten. Die Besucherinnen und Besucher erfahren zudem, wie sich IT-Infrastruktur mit der modularen Plattform RiMatrix schnell und im Betrieb energiesparend für den wachsenden Rechenleistungs-Bedarf aufbauen lässt. Zu sehen sind auch hoch standardisierte Racks für das Open Compute Project (OCP), die schon fit für zukünftige AI-Anwendungen mit integrierter Flüssigkeitskühlung sind. Energy Transition: Mehr Geschwindigkeit Wie kommt beim Ausbau der Energiesysteme gerade jetzt mehr Tempo in Wertschöpfungsprozesse? Die Chancen steigen dabei durch einen erhöhten Digitalisierungs- und Standardisierungsgrad nach dem Vorbild des Maschinenbaus. Die konkrete Umsetzung sehen die Messebesucher am Beispiel einer Trafostation. Die Idee: Eplan bietet ein komplettes Industrie-Projekt als normgerechter Standard, inklusive branchentypischer Betriebsmittelliste. Es muss nur noch bei Bedarf individualisiert werden. Der Datensatz enthält auch alle Informationen für modulare Rittal Systemtechnik und zur Bearbeitung mit Maschinen von Rittal Automation Systems und Ehrt im weiteren Prozess. Das Ergebnis: Erheblich weniger Markus Asch: „Auf der Hannover Messe zeigen wir Ergebnisse der Zusammenarbeit und Beispiele, wie die Effizienz und Produktivität unserer Kunden entlang ihrer gesamten Wertschöpfungsprozesse – endto-end – gesteigert werden kann.” Zeit und Kosten, normgerechte Ausführung sowie ein Digitaler Zwilling für den Betrieb. Dass auch in der Systemtechnik noch erhebliches Optimierungspotenzial steckt, erfahren die Besucher anhand einer Preview auf die neue Rittal RiLineX 60 mm Sammelschienen-Systemplattform. Diese setzt 2025 einen neuen Standard für Stromverteilung. Dabei wurde das System nicht nur konstruktiv neu gedacht, um Tempo und Sicherheit bei Engineering und Montage auf ein neues Level zu heben. Rittal verfolgt auch den Plattformgedanken konsequent. Hersteller von Geräten und Komponenten erhalten lizenzfrei die nötigen Schnittstellen-Daten, um selbst passende Bausteine zu entwickeln. Smart Factory: Mehr Transparenz Wie schafft die Industrie schnell und effizient die Grundlagen, um die Fertigung nach Verfügbarkeit der knappen Energie in der „All Electric Society“ zu managen und perspektivisch das Potenzial Künstlicher Intelligenz zu nutzen? German Edge Cloud macht mit dem ONCITE Digital Production System (DPS) Digitalisierung auch für kleine und mittlere Zulieferer skalierbar – von der Transparenz als Basis über KI-unterstützte Prozesse bis hin zur durchgängig digitalisierten Fabrik. Neuheiten sind beispielsweise ein Service für KI-basierte visuelle Qualitätsinspektion mit Entwicklungsperspektive zur Anwendung generativer KI (GenAI) sowie ein Use Case zum Einsatz von GenAI im Informationsmanagement der Fertigung. Weitere Exponate zeigen die einfache Anbindung an Catena-X und Supply ON mit dem ONCITE DPS CX Gateway sowie Track & Trace im Smart Press Shop mit Schuler. Kernaussage auf dem Stand der vier Unternehmen der Friedhelm Loh Group: Die Anforderungen an Digitalisierung und Nachhaltigkeit stehen sich nicht konträr gegenüber – sie gehen Hand in Hand. Nachhaltigkeit treibt Digitalisierung, Digitalisierung ermöglicht Nachhaltigkeit. Der Schlüssel dafür sind durchgängig optimierte Wertschöpfungsprozesse. www.rittal.de Tempo für die Energiewende: Trafostation als standardisiertes Industrieprojekt sorgt für weniger Zeit und Kosten, normgerechte Ausführung sowie einen Digitalen Zwilling für den Betrieb.

14 Passung einer bestimmten Person in eine Umgebung hinsichtlich des Wohlfühlfaktors in einem bestehenden Wertesystem, aber auch die individuelle Einschätzung, ob die Person in der Organisation einen sinnvollen Beitrag liefern kann, also etwas bewegen kann. Was wurde aus Ihrer Sicht in der Vergangenheit vernachlässigt, dass es zu der heutigen Situation am Markt von Fach- und Führungskräften kommen konnte? Es wäre einfach zu sagen, der Fach- und Führungskräftemangel ist schlicht auf den demographischen Wandel und die alternde Bevölkerung zurückzuführen. Es wurden zu spät Maßnahmen ergriffen. Qualifikationslücken müssen geschlossen werden, im Rollenverständnis zwischen Mann und Frau sind andere Länder weiter entwickelt, aber die Digitalisierung erfordert auch ganz neue Fähigkeiten. Hier sind wir nicht agil genug. Im globalen Wettbewerb um Talente konkurriert Deutschland zunehmend mit anderen Ländern. Früher haben viele Führungskräfte nur national gedacht. Heute sind zahlreiche Top-Kandidaten global mobil. Wir müssen in Deutschland mehr Anreize schaffen, um hier arbeiten zu wollen. Nicht nur für Berufe, in denen wir dringenden Bedarf haben, wie etwa in der Pflege, sondern auch im Bereich der Führungskräfte. Auch die starren Regelungen zum Renteneintritt sollten überdacht werden. Welchen Einfluss hat das Thema Arbeitszeit bzw. Verteilung von Arbeitszeit auf die Unternehmenskultur? Der Grad der flexiblen Arbeitszeitgestaltung in einem Unternehmen prägt immer auch die Kultur in einem Unternehmen. Unternehmen mit starren Arbeitszeiten und Anwesenheitspflicht haben nach meiner Beobachtung immer einen geringeren Anteil Interview Erfolgsfaktor Unternehmenskultur Interview mit Frau Dr. Martina Fohr, Leadership Advisor für Transport / Logistik / SCM / Chemicals / E-Business bei Spencer Stuart in Frankfurt am Main Gleich welche Branche man auch befragt - überall wird der Mangel an geeigneten Fach- und Führungskräften als eines der Hauptprobleme für die strategische und operative Weiterentwicklung von Unternehmen angesehen. Grund dafür ist zum einen die demografische Entwicklung aber auch die Tatsache, dass zunehmend ein gesellschaftlicher Werte- und Strukturwandel in die Arbeitsprozesse Einzug hält und tradierte Formen der Zusammenarbeit in Frage stellt. Die Antwort auf die damit zusammenhängenden Fragestellungen sieht Frau Dr. Martina Fohr, Leadership Advisor für Transport / Logistik / SCM / Chemicals / E-Business bei Spencer Stuart in Frankfurt am Main in einer ausgeprägten Unternehmenskultur, die der Erfolgsfaktor für Recruiting und Bindung von Fach- und Führungskräften sein kann. Unter Unternehmenskultur wird gemeinhin ein System gemeinsamer Werte, sozialer Verhaltensnormen und Steuerungsinstrumenten verstanden, die in Summe oder auch einzeln Verhalten und Entscheidungen von Organisationen beeinflussen. Diese zunächst wertfreie Definition sagt nichts aus über die Beeinflussung von Fach- und Führungskräften. Welchen Elementen einer Unternehmenskultur kommen aus Ihrer Sicht besondere Bedeutung zu? Dr. Fohr: Ich denke, hier muss man zwei Ebenen unterscheiden. Auf Unternehmensebene scheinen insbesondere Werte wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Zukunftsfähigkeit, Work-Life-Balance und ein hohes Maß an transparenter Kommunikation sowie nicht zuletzt eine „lernende Organisation“ die wesentlichen Kriterien einer modernen Unternehmenskultur zu sein. Auf individueller Ebene ist es jedoch häufig die Bilder: © BildWert Hilpert Dr. Martina Fohr Dr. Rudolf Müller

an Diversität im Unternehmen. Der Arbeitskräftemangel wird wahrscheinlich ein Umdenken erfordern, nicht nur hinsichtlich Arbeitszeitgestaltung, sondern auch Time Sharing Modellen, Sabbaticals, einer 4-Tage-Woche oder ähnlichen Modellen. Stichwort „Home office“. Begünstigt durch die Pandemie wurde die Möglichkeit, im Home office zu arbeiten, fast schon zum erwünschten Standard. Zunehmend scheint sich hier eine Gegenbewegung abzuzeichnen. Unternehmen fordern wieder mehr physische Präsenz von ihren Führungskräften. War das home office ein Irrweg oder doch ein Beitrag zur Weiterentwicklung von Unternehmenskulturen? Es gibt sehr konträre Meinungen zu dieser Frage, sowohl auf Seiten Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer. Die Pandemie hat gezeigt, dass Homeoffice Regelungen vielerorts die Effizienz steigern können und Kosten für ein Unternehmen senken können. Viele Unternehmen haben ihre Office-Flächen reduziert und sind auf Shared-Spaces umgestiegen. Auf der anderen Seite leidet der Zusammenhalt im Unternehmen durch zu viel Homeoffice. Kommunikation in der Kaffeeküche kann per Webex einfach nicht komplett aufgefangen werden. Teamfähigkeit sowohl auf Seiten von Beschäftigten als auch von Führungskräften wurde in der Vergangenheit als Schlüsselfaktor für erfolgreiche Unternehmenskulturen angesehen. Welche Rolle spielt dieser individuelle Faktor noch in einer Arbeitswelt, die zunehmend von digitalen Kommunikationsstrukturen geprägt ist? Teamfähigkeit war und bleibt aus meiner Sicht ein zentraler Teil von Zusammenarbeit. Niemand ist in der Lage alle Themen gleichermaßen tiefgehend abdecken zu können. Nur im Team kann maximale Effizienz erreicht werden. Spricht man über wertbasierte Instrumente, kommt man an der Frage wertbasierter Vergütungssysteme nicht vorbei. Welche Rolle spielen transparente Vergütungssysteme in modernen Unternehmenskulturen und wo ordnen Sie ihren Stellenwert als Mittel zur Mitarbeitergewinnung und -bindung ein? Transparente Vergütungssysteme fördern nicht nur das Vertrauen der Mitarbeiter und sind damit ein wichtiger Bestandteil einer Unternehmenskultur, sondern fördern auch Motivation und Engagement jedes einzelnen. Unternehmen mit transparenten Vergütungssystemen haben nachweislich eine deutlich längere Mitarbeiterbindung und haben einen Vorteil im Wettbewerb um Talente. Nicht zuletzt die Digitalisierung und die damit verbundenen Möglichkeiten globaler Vernetzung prägen zunehmend den Charakter von Unternehmenskulturen. Welche Bedeutung hat die Internationalisierung im Hinblick auf bestehende und künftige Unternehmenskulturen und welche Anforderungen ergeben sich daraus sowohl für die Beschäftigten als auch für die notwendigen Rahmenbedingungen? DE&I (Diversity, Equity & Inclusion), die Vielfalt von Kulturen, Sprachen und Denkschemata prägen entscheidend eine Unternehmenskultur und immer häufiger auch den langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Interkulturelle Zusammenarbeit im Unternehmen zeigt unterschiedliche Blickwinkel auf und spiegelt letztendlich auch die Vielfalt von Kundenmeinungen wider. Für Mitarbeiter bedingt dies nicht nur die Notwendigkeit in fließendem Englisch kommunizieren zu können, sondern sich auch agil an andere Arbeitsweisen anpassen zu können. Auf Unternehmensebene sind globale Führungskompetenzen und das Bereitstellen einer entsprechenden technologischen Infrastruktur Voraussetzung. Zusammengefasst - auf welche kulturprägenden Elemente sollten Unternehmen besonders achten, um künftig am Markt von Fach- und Führungskräften erfolgreich mit erhöhter Arbeitgeberattraktivität agieren zu können und welche Anreize sollten sie setzen, einmal gewonnene Mitarbeiter auch langfristig zu halten? Transparenz, DE&I, flexible Arbeitsbedingungen, eine Innovationskultur sowie die Möglichkeit „etwas bewegen zu können“ sind nach meiner Erfahrung die meistgenannten Kriterien, auf die Kandidaten in unseren Gesprächen Wert legen oder die bei Nicht-Vorhandensein auch ein Wechselgrund sein können. Vielen Dank für das Gespräch. Das Gespräch führte Dr. Rudolf Müller, freier Journalist Spencer Stuart DIE VORAUSDENKER. DIE PROZESSOPTIMIERER. DIE LÖSUNGSENTWICKLER. Erfahren Sie mehr zu Projektmanagement tailored by CONSILIO WIR SCHAFFEN KLARHEIT IN IHREN SAP-PR JEKTEN! Mit unserer RACI-Matrix Rollen klar definieren und die Zusammenarbeit entscheidend optimieren.

16 Arbeiten Sie noch – oder leben Sie schon? Von Gero Brinkbäumer, COSMO CONSULT Group Das Wort Arbeit kommt vom germanischen „arbaiþi“, was Mühsal heißt. Ergibt Sinn, könnte man denken. Man könnte sich aber auch fragen: Warum kommt Arbeit nicht von Spaß? Das hat natürlich mit der Geschichte der Arbeit zu tun. Arbeit hieß für die meisten Menschen über die Jahrhunderte hinweg schwere körperliche Arbeit zur Erhaltung des eigenen Lebens. Und daran haben auch technische Errungenschaften nichts Wesentliches geändert. Selbst die industrielle Revolution hat mit ihren gewaltigen Maschinen die schwere Arbeit nicht abgeschafft, sondern sie nur zu einem Massenphänomen gemacht. Eine Welt ganz ohne Arbeit können wir uns heute gar nicht vorstellen. Und dass Arbeit Mühsal bedeutet, ist nach wie vor eine weit verbreitete Ansicht. Man geht schließlich nicht zum Spaß arbeiten, oder? Kurzer Themenwechsel: Wie sieht es in Punkto Personal bei Ihnen aus – fällt es Ihnen leicht, Nachwuchskräfte zu begeistern und langfristig zu binden? Falls ja, gehört Ihr Unternehmen zur glücklichen Minderheit. Personalmangel und die sogenannte Fluktuation sind weitverbreitete Phänomene. Die Gründe dafür werden von Politik und Gesellschaft heiß diskutiert. Was man aber mit einiger Sicherheit feststellen kann, ist, dass junge Menschen heute einen anderen Anspruch an ihre Arbeit haben. Dabei spielt zum Beispiel die Arbeitsumgebung eine wichtige Rolle. Aber auch das vielbeschworene Mindset: Junge Talente wollen sich im Beruf selbst verwirklichen, ihre eigenen Ideen einbringen und damit etwas Sinnvolles erreichen. Aber ist das wirklich neu? Oder nur der Enthusiasmus, der jeder jungen Generation zu eigen ist? Sicher ist: Wenn man nach dem Motto vorgeht „das gibt sich wieder“, dann wird man das akute Problem mit dem Recruiting nicht lösen können. Schwerwiegender dürfte aber sein, dass man damit das Problem noch verschärft. Offensichtlich hat sich noch etwas anderes verändert, dass nichts mit dem klassischen Generationenproblem zu tun hat. Dieses Andere geht tiefer, ist weitreichender und hat das Potenzial, große Erschütterungen in Wirtschaft und Gesellschaft hervorzurufen – es ist unser Begriff von der Arbeit selbst. Wir leben in revolutionären Zeiten Um zu verstehen, wie es dazu kam und was das bedeutet, muss man sich die Veränderungen vor Augen führen, die sich in relativ Bild: © LAYHONG/stock.adobe.com

kurzer Zeit – ungefähr im Verlauf der letzten 25 Jahre – ereignet haben. Dass diese Zeitspanne mit einem Generationenwechsel korrespondiert, ist dabei nicht unerheblich, doch dazu später. Dieses Viertel eines Jahrhunderts hat das Gesicht unserer Welt vollkommen verändert. Digitale Technologien haben sich rasant weiterentwickelt und sind tief in alle Lebensbereiche eingedrungen. Nicht wenige sprechen gar von einer digitalen „Revolution“. Eine Bezeichnung, die einiges für sich hat, wenn man sieht, wie große, alteingesessene Industriekonzerne von Internet-Startups vor sich her getrieben werden. Wie bei Revolutionen üblich haben die damit verbundenen Änderungen sehr weitreichende Konsequenzen. Und sie gehen tief in die Substanz. Viele Unternehmen haben hektisch reagiert, um nicht zu sagen: mit der Brechstange. Neue Technologien wurden über die alten gestülpt, neue Geschäftsfelder aus dem Boden gestampft. Dabei hat man oftmals übersehen, dass die neuen digitalen Werkzeuge nicht einfach nur verbesserte Versionen der alten Werkzeuge sind. Mit dem digitalen Wandel der letzten Jahrzehnte kamen auch vollkommen neue Arbeitskonzepte. Mobilität, Automatisierung, künstliche Intelligenz – all das stellt altbekannte und etablierte Abläufe in Frage. Und vor allem: Damit werden Freiräume eröffnet, die etwas bisher Unbekanntes ins Spiel bringen. Menschen nutzen Freiräume zur Entfaltung ihrer Kreativität. Dass digitale Technologien menschliche Kreativität freisetzen, ist für viele Unternehmen tatsächlich aber ein Schock. Das klingt vielleicht seltsam, denn Kreativität wird gerne als Voraussetzung für Erfolg und Fortschritt verkauft. In Wirklichkeit spielt sie aber in unseren traditionellen Arbeitskonzepten keine Rolle. Vielerorts wird Kreativität misstrauisch beäugt und in jedem Fall kontrolliert, in engen Grenzen gehalten oder gar abgewürgt. Ein System, das auf Arbeitsteilung, Spezialisierung und Wiederholung basiert, braucht keine Kreativität. Sie stört sogar den ordnungsgemäßen Ablauf. Hier finden wir die Ursache der sogenannten Disruption, die mit dem digitalen Wandel einhergeht. Und zugleich auch für die Verunsicherung, die viele Unternehmen zu technologischen und kommerziellen Schnellschüssen genötigt hat. Die Erschütterung kommt direkt aus der Freiheit, aus der kreativen Energie, die unseren bisherigen Begriff von Arbeit radikal in Frage stellt. Das Neue und Unbekannte in diesem Begriff von Arbeit sind nicht die Technologien. Das Unbekannte sind wir selbst. Worum es beim digitalen Wandel eigentlich geht Die Tatsache, dass die heute 25-Jährigen mit der digitalen Revolution aufgewachsen sind, macht also klar, warum diese Generation einen grundsätzlich neuen Begriff von Arbeit hat. Und es reicht wahrscheinlich nicht aus, diesen Begriff zu verstehen oder seine Folgen irgendwie „einzufangen“. Unternehmen müssen sich der kulturellen Erschütterung stellen und der Tatsache, dass sie sich selbst verändern müssen. Es geht um Neugier, die Entdeckung und Weiterentwicklung von Begabungen, um Leidenschaft – mit einem Wort: um den Spaß an der Arbeit. Das ist keine Modeerscheinung, die vorbei geht. Es ist der Kern des digitalen Wandels. Menschen wollen keine starren Strukturen mehr, keine Arbeitsmühle, in der sie zerrieben werden. Sie wollen in ihrer Arbeit leben, sich an einer gemeinsamen, sinnstiftenden und zukunftsweisenden Sache beteiligen, die sie ausfüllt und bei der sie sich weiterentwickeln können. Arbeiten heißt übrigens auf Isländisch „vinna“, aus dem Germanischen winnaną, was so viel wie streben, wünschen, begehren oder lieben bedeutet. COSMO CONSULT Group Informativ. Vernetzt. Digital. Das Forum vom VEK Verlag Elisabeth Klock für Nachrichten, Perspektiven, Entwicklungen, Analysen, Berichte und Interviews aus der Welt der der Automobilindustrie, ihrer Zulieferer und verwandten Branchen sowie deren Dienstleistungsunternehmen. OEM&Lieferant berichtet über die neuesten Produkte und Verfahren, Innovationen auf dem Gebiet der Produkt- und Produktionstechnik, Marktentwicklungen und politische Rahmenbedingungen. Verschiedene Facetten von Megatrends, wie Digitalisierung, autonomes Fahren, KI und alternative Antriebstechnologien, werden vorgestellt. VEK Verlag Elisabeth Klock Wilhelm-Schrohe-Str. 2 · 55128 Mainz · Phone +49 611 949164-65 · info@klock-medienpartner.de www.oemundlieferant.de

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