OEM & Lieferant - Ausgabe 2/2022

13 Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. (GVA) www.gva.de Aftermarket-GVO https://t1p.de/2khws Teilen OEM&Lieferant: Ein offensichtlicher Interessenwiderspruch zwischen VDA und GVA besteht weiterhin in der Frage nach der Verfügbarkeit von durch das Fahrzeug selbst generierten technischen Daten, die insbesondere für Wartung und Reparatur erheblich sind. Hier hat die EU-Kommission den Entwurf eines Datengesetzes („Data Act“) vorgelegt, das den Zugang zu Daten für Verbraucher vereinfachen soll. Ist dies der Königsweg, der aus diesem Interessengegensatz mit den Fahrzeugherstellern herausführt? Thomas Vollmar: Grundsätzlich begrüßen wir diese Gesetzesinitiative als einen Schritt in die richtige Richtung. Aber wir sind der Meinung, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagene Lösung nicht geeignet ist, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Automotive Aftermarket herzustellen, weil dieser zu groß und zu komplex für ein „Standardwerk des Wettbewerbsrechtes“ ist. Wir brauchen eine sektorspezifische Regelung, in der der bidirektionale, direkte Zugang zu Fahrzeugdaten und -ressourcen und auch zum Fahrer in Echtzeit festgeschrieben werden muss. Das ist der Weg, um faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, die innovativen Akteures des Independent Automotive Aftermarket nicht auszuschließen und die Wahlfreiheit der Verbraucher zu sichern. OEM&Lieferant: Der Transformationsprozess in der Automobilindustrie hin zu einer Dekarbonisierung des gesamten Verkehrssektors hat erhebliche Auswirkungen insbesondere im Bereich des Antriebsstrangs und hier im Besonderen bei den Antriebsarten künftiger Automobilvarianten. Derzeit scheint es so auszusehen, dass die batterie-elektrische Antriebsvariante sich am Markt langfristig durchsetzt. Was bedeutet dies für Ihre Mitgliedsunternehmen? Thomas Vollmar: Unsere Mitgliedsunternehmen sind nicht Opfer oder Leidtragende dieses Prozesses, sondern Teil davon. Das heißt, wir müssen alle Anstrengungen unternehmen und uns den Herausforderungen dieser Transformation stellen. Und dazu gehört auch, die Beherrschung der E-Mobilität in all ihren Varianten, was besonders in den Werkstätten mit Neuinvestitionen in Anlagen und Werkzeuge sowie Qualifikationsmaßnahmen für alle Beschäftigte verbunden ist. Neueste Untersuchungen aus Norwegen, wo die E-Mobilität in ihrer Ausbreitung am weitesten fortgeschritten ist, zeigen jedoch für uns sehr ermutigende Tendenzen. Ursprünglich gingen wir angesichts einer geringeren Teilevielfalt und geringerer Wartungsintensität des Elektromotors von negativen Auswirkungen auf unser Geschäftsmodell aus. Dies scheint sich nicht zu bewahrheiten. Das durch die schweren Batterien bedingte höhere Gewicht von Elektrofahrzeugen führt u.a. zu einem höheren Verschleiß im Bereich von Fahrwerksteilen und Bremsen, was sich kompensatorisch auf unser Geschäft auswirkt. Gleiches gilt für die höhere Teilevielfalt bei Hybridfahrzeugen, die ebenfalls ausgleichend wirkt. Kurz- bis mittelfristig stabilisierend wirkt sich der Bestand an Fahrzeugen mit klassischem Verbrennungsmotor aus. Auch wenn der Anteil an Elektrofahrzeugen bei den Neuzulassungen stark steigt, spiegelt sich diese Entwicklung auf absehbare Zeit nicht im Pkw-Bestand wider und somit erst recht nicht im freien Reparaturmarkt. Die Entwicklungen im Primärmarkt treffen den Sekundärmarkt erst mit Verzögerung. Ein Bestand von derzeit rund 48,5 Millionen PKW in Deutschland, die im Schnitt zehn Jahre genutzt werden (Tendenz steigend), bedeutet, dass wir noch 20 bis 30 Jahre Kapazitäten zur Wartung dieser Fahrzeuge bereithalten müssen. Nicht zuletzt dies ist einer der Gründe, warum der GVA fordert, synthetische Kraftstoffe – sog. E-Fuels – neben anderen Antriebsvarianten zu fördern. Der Einsatz klimaneutraler synthetischer Kraftstoffe könnte einen deutlichen Beitrag zur Dekarbonisierung der Bestandsfahrzeuge leisten. Das ist leider von der Europäischen Kommission bisher nicht berücksichtigt worden. Hier ist sehr viel Potential verschenkt worden, um dem wichtigen Ziel, der Emissionssenkung im Straßenverkehr, gerecht zu werden. Aus unserer Sicht bedarf es eines Technologiemix, in dem sich verschiedene Technologien gegenseitig ergänzen. OEM&Lieferant: 2023 wird auf EUEbene die Aftermarket-GVO auslaufen. Welche Ziele verfolgt der GVA bei der Neufassung? Thomas Vollmar: Die Europäische Kommission wird die sog. Aftermarket-GVO voraussichtlich um fünf weitere Jahre bis Mai 2028 in ihrer jetzigen Form verlängern. Dafür haben wir gekämpft. Die Verlängerung bewerten wir als Erfolg. Die sog. Aftermarket-GVO sichert den Wettbewerb auf dem Automotive Aftermarket, in dem sie beispielsweise die Vertriebsfreiheit der Zulieferer schützt. Außerdem können dank der Aftermarket-GVO die Vertragswerkstätten der Fahrzeughersteller auch im freien Markt kaufen. Der technische Fortschritt soll in den begleitenden Leitlinien berücksichtigt werden. OEM&Lieferant: Die gesamte Automobilindustrie klagt über einen zunehmenden Mangel an Fachkräften. Verfügen Ihre Mitgliedsunternehmen über die notwendigen Personalressourcen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht und was tun Sie, um dies auch in Zukunft sicher zu stellen? Thomas Vollmar: Aktuell haben unsere Mitgliedsunternehmen eine Reihe von Fortbildungs-Initiativen ergriffen, um ihre Beschäftigten qualitativ auf Themen wie EMobilität und Digitalisierung im Fahrzeug einzustellen. Gleichzeitig arbeiten wir als Branchenverband daran, die Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen. Dabei profitieren wir von dem Umstand, dass die Automobilindustrie nach wie vor bei Lehrstellenbewerbern und Hochschulabsolventen eine hohe Priorität bei der Arbeitsplatzauswahl besitzt. Dies trifft allerdings in erster Linie auf die OEM`s und die großen Zulieferer zu. Unsere Herausforderung besteht darin, unsere Branche als Teil der Automobilwirtschaft mit all ihren Vorzügen hinsichtlich beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten deutlicher darzustellen. Besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind wir als Großhandel, da er als Wirtschaftszweig nur wenig bekannt ist und so im Wettbewerb mit anderen Branchen auf den ersten Blick die schlechteren Karten hat. Das liegt aber in der Natur der Sache des Großhandels als „unsichtbarer Riese“. Zahlreiche Verbände des Großhandels, u.a. wir als GVA, haben deshalb unter der Federführung des Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) e.V. die gemeinsame Kampagne „GROSS HANDELN – GROSS RAUSKOMMEN“ initiiert. OEM&Lieferant: Herr Vollmar, wir danken Ihnen für das Gespräch. Das Gespräch führte Dr. Rudolf Müller, freier Journalist Bild: © Carat Thomas Vollmar, Präsident des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V.

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