OEM&Lieferant Ausgabe 1/2023

14 Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern unterstützt die Industrie dabei, sich bzgl. der folgenden Ziele zu verbessern: Wettbewerbsfähigkeit: die deutsche ausrüstende Industrie kann ihre Position im internationalen Wettbewerb nur erhalten, wenn sie konsequent auf Innovationen setzt, z. B. in Form von neuen Komponenten, Maschinen und/oder Linien, die sich selbst beschreiben, selbst konfigurieren und selbst verbessern einschließlich zugehöriger digitaler Dienste. Nachhaltigkeit: der Nachweis des CO2Fußabdrucks und zwar bezogen auf eine tatsächliche Instanz einer Maschine oder Komponente – im Gegensatz zu Durchschnittswerten – wird für Maschinenbauer und Komponentenhersteller verpflichtend werden; genauso wie der Nachweis, den Fabrikbetreiber erbringen müssen, wieviel Energie und Rohstoffe im Produktionsprozess verbraucht wurden. Auch hierfür werden digitale Dienste benötigt, um z. B. den Energieverbrauch in der Produktion durch geschickte Wahl der Auftragsreihenfolge zu reduzieren. Resilienz: gerade der Maschinen- und Anlagenbau sowie deren Inbetriebnahme, Reparatur und Wartung sind abhängig von Vorleistungslieferungen aus dem Ausland. Am Beispiel von China sind dies rd. 15 Prozent, mehr als doppelt so viel wie der Durchschnitt aller deutschen Industriebranchen [1]. Daraus ergibt sich unter anderem, dass die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit in den Wertschöpfungsketten der Ausrüsterbranche signifikant zunehmen muss, wenn sie weiterhin – unter zunehmender Unsicherheit – lieferfähig bleiben will. Digitale Dienste helfen beispielsweise dabei, Störungen von Lieferketten schnell zu entdecken und Alternativlieferanten auszuwählen – unter allen erforderlichen Berücksichtigungen von Risiken und Qualitätsanforderungen. Kreislaufwirtschaft: für die Automobilindustrie arbeiten wir bei Fraunhofer seit Digitalisierung Datenökosysteme und Daten- räume schaffen Mehrwert Von Dr. Olaf Sauer, Geschäftsfeld Automatisierung, stv. Institutsleiter, Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) In Deutschland waren 2022 rund 6 Millionen Menschen in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten tätig. Direkt und indirekt hängen rund 15 Millionen der knapp 45 Millionen Arbeitsplätze von der produzierenden Wirtschaft ab. Der Wohlstand Deutschlands als rohstoffarmes Land hängt also auch künftig massiv von innovativer und effizienter Wertschöpfung ab. Neue Produkt-Service-Systeme der Fabrikausrüster unterstützen die produzierende Industrie dabei und machen sie resilienter. Datenökosysteme bieten neue Möglichkeiten für produzierende Unternehmen und deren Ausrüster. (Quelle: Fraunhofer ISST) längerem daran, ausgehend von der Produktentwicklung für die Hauptkomponenten eines Fahrzeugs (Batteriezellen, Karosserie, Batteriegehäuse, Elektronik und Elektrik, Reifen, etc.) kreislauffähige Strategien zu entwickeln, und zwar indem • Produkte eingespart oder anders her- gestellt werden, • die Lebensdauer von Produkten erhöht wird oder • Materialien wiederverwertet werden [2]. Auch für die Ausrüsterbranche sind solche Strategien sowie datenbasierte Dienste zu entwickeln, und zwar auf Basis existierender Ansätze, z.B. Wiederaufarbeitung von Motorspindeln für Werkzeugmaschinen, Condition Monitoring und prädiktive Bereitstellung von Ersatzteilen, etc. Allein hochproduktive und zuverlässige Maschinen und Anlagen zu liefern oder zu betreiben, wird also in Zukunft als Differenzierungsmerkmal und Basis des Geschäftserfolgs der Ausrüsterbranche nicht mehr ausreichen. Denn es vollzieht sich ein Paradigmenwechsel vom Produktfokus hin zu nutzenbasierten Mehrwerten, sogenannten Produkt-Service-Systemen (PSS), die für neue Wertschöpfung sorgen und zukunftssichere Arbeitsplätze für hoch qualifizierte Mitarbeiter sichern. Ergänzende softwarebasierte Dienstleistungen rund um die Produktion ermöglichen datenbasierte Subskriptionsgeschäftsmodelle der „As-aService-Economy“. Diese gelten als weniger anfällig für Absatzschwankungen und Investitionszyklen. Gleichzeitig verstärken sie die Kundenbindung und damit die sensible Kundenschnittstelle. Der Schlüssel zu produktbegleitenden digitalen Diensten und zusätzlichen Potenzialen liegt in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Sie schafft Transparenz in Bezug auf Wertschöpfungsketten, verbessert Resilienz und ermöglicht Stoffkreisläufe hin zu einer kreislauffähigen Wirtschaft. Datenräume für einfachen, sicheren Austausch Zusätzlich zu den traditionellen hardwarenahen Kompetenzen müssen Mitarbeitende in produzierenden Unternehmen schnell umfassende Kompetenzen beherrschen, um neue Tools wie GAIA-X, Datensicherheit und -souveränität, Plattformen und Datenökosysteme nutzbringend anwenden zu können. Der Wissensrückstand kann nur in Kooperation mit Partnern aufgeholt werden. Als ein beispielhaftes Leuchtturmprojekt für einen branchenbezogenen Datenraum, im Kern ein Datenraum der automobilen Supply Chain, hat die Automobilbranche mit Unterstützung der Bundesregierung im Jahr 2021 das Projekt Catena-X gestartet:

RkJQdWJsaXNoZXIy MjUzMzQ=