OEM & Lieferant Ausgabe 2/2019 - OEM & Supplier 2/2019 by VEK Publishing

84 Dienstleistungen Die Umwälzung der Automobil- industrie und deren Auswirkungen auf das Interim Management division one im Interview mit Interim- und Automotiveprofi Dietmar von Polenz Nicht nur Verbrennungsmotoren, Elektromobilität und Brennstoffzellen sind treibende Kräfte in der Automobil- industrie – auch Interim Manager gehören zu den wichtigen Motoren der Branche. Einer dieser starken Treiber, der sich seit drei Jahrzehnten imAutomotive-Umfeld bewegt, ist Dietmar von Polenz. Der Diplom-Volkswirt ist seit 2009 Inhaber von Interim[4]Automotive, mit den Schwerpunktthemen InterimManagement sowie Beratung, spezialisiert auf die Bereiche Produktion und Entwicklung. Im Interview mit division one, einem mehrfach ausgezeichneten Provider in Deutschland, spricht der Branchenkenner über Krisenvorboten, Chancen, Antriebe sowie Megatrends in der Automobilindustrie und, wie sich diese Themen auf das Interim Management auswirken … Bilder: © division one Steckt die Automobilindustrie in einer Krise oder erleben wir aktuell eine Revolution der gesamten Branche? Dietmar von Polenz: Ein revolutionäres Um- feld ist sicherlich gegeben, von einer Krise würde ich in der Branchenbetrachtung (noch) nicht sprechen. Die Automobilbranche ist ge- prägt von Innovation und Herausforderun- gen, letztere waren noch nie größer als zum jetzigen Zeitpunkt. Neue Antriebstopologien, Elektrifizierung, SharedMobility, Connectivity, assistiertes und autonomes Fahrenwälzen die Branche gehörig umund rufen zusätzlich neue Wettbewerber auf den Plan. Dazu kommen Krisen-Brandbeschleuniger wie der Brexit, Zoll- und Handelskriege, Staatsverschuldung und Umsatzrückgänge, die den Weg in die Krise auslösen könnten. Sehen Sie diesen Vorkrisenzustand als Chance oder Risiko? Dietmar von Polenz: Krisen sind immer Chan- cen und Risiken zugleich. Sollte es in den kom- menden Jahren zu einer Notsituation kommen, wird vor allem die Anzahl der faulen Kredite steigen, sodass der finanzielle Rahmen auf Absatzmärkten schrumpft. All die neuen Technologien, die Elektroantriebe sowie die verschiedenen Stufen der Hybridisierung wer- den aus dem klassischen Verbrenner-Automo- bilgeschäft finanziert. Sobald die Krise eintritt und Budgets gekürzt werden, geht es darum zu priorisieren. Man kann sich dann nicht mehr erlauben, wie es heute der Fall ist, alles parallel zu entwickeln und in denMarkt zu bringen. Be- stimmte Antriebsarten und Technikenmüssen in einer solchen Situation aus dem Entwick- lungsportfolio gestrichen werden. Welcher Antrieb wird aus Ihrer Sicht den zu- künftigen Markt beherrschen? Dietmar von Polenz: Das muss man diffe- renzieren. Es ist nicht nur Deutschland, son- dern eine globale Industrie und ein globaler Markt. Daher geht es um die Entwicklung für den Weltmarkt. Je nach Länderbedarf werden bzw. müssen mehrere Antriebs- varianten vertreten sein. Dazu gehört weiterhin, für die nächsten 10 bis 20 Jahre, der Verbrennungsmotor, insbesondere bei Nutzfahrzeugen. Dazu gehört auch eine milde Elektrifizierung: 48-Volt-Mild-Hyb- ridantriebe werden der Stand der Technik sein. Weiterhin gibt es Plugin-Hybride, die in den Markt finden werden und voll elek- trische Fahrzeuge. Schließlich muss man die Förderungs- und Gesetzespolitik der EU betrachten, die ja in den verschärften Ab- gaswerten nach 2025 erstmals nicht Techno- logie-offen ist, sondern Werte vorschreibt, die nur elektrisch zu erreichen sind. Dieses einseitige Einschreiten der Politik kann das Aus für die Brennstoffzelle bedeuten, für deren Wasserstoff-Infrastruktur in Europa keine tragfähige Zielvorgabe und Förderung erkennbar ist. Als Interim Manager müssen sie anpas- sungsfähig sein – wie bewerten Sie die Anpassungsfähigkeit der deutschen Auto- mobilindustrie? Dietmar von Polenz: Die deutsche Automo- bilindustrie hat ihr Angebot an Elektromobi- litätsprodukten sehr zögerlich in den Markt gebracht. Dies geschah aus der Angst vor dem „Overshooting“, sprich einem Überan- gebot an Elektrofahrzeugen, die am Markt keinen Absatz finden. Dieser Gefahr hat man, im Vergleich zu anderen Anbietern wie z. B. aus China, deutlich mehr Gewicht bei- gemessen. Die hohe Patentbilanz deutscher Systemlieferanten und OEM’s spricht jedoch nicht für einen technischen Rückstand der hiesigen Automobilindustrie. In naher Zu- kunft werden wir sehr viele neue Elektro- mobilitätsangebote von der deutschen Autoindustrie finden. Welche Schrittemüssen jetzt getanwerden, um in der wettbewerbsstarken Branche weiterhin bestehen bzw. (wieder) erfolg- reich sein zu können? Dietmar von Polenz: China hat den großen Vorteil, dass, durch die massive Förderung der Elektromobilität sowie den Wachstumsraten des Binnenmarktes, große Skaleneffekte rea- lisiert werden. Diesen Skaleneffekt aus der Konsumenten Elektronik-Batteriefertigung können wir nicht aufholen – wir werden in den nächsten Jahren keine großen Fabriken Dietmar von Polenz

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