OEM&Lieferant Ausgabe 2/2018 / OEM&Supplier Edition 2/2018

45 IT und Automotive Digitale Zwillinge werden in den kommenden Jahren in Forschung und Entwicklung weiter ausgestaltet; schon heute ist klar, dass es sich dabei nicht um ein monolithisches Datenmo- dell handelt, sondern um unterschiedliche As- pekte digitaler Repräsentationen, Funktionali- täten, Modelle und Schnittstellen. Aus Sicht der industriellen Produktion und seines Enginee- rings umfassen Digitale Zwillinge beispiels- weise folgende Aspekte: Modellbasierte Selbstbeschreibungen mit dem Ziel von Autoidentifikation und Auto- konfiguration, z. B. damit sich Maschinen und ihre Komponenten mit Hilfe von mit- gelieferten Treiberinformationen am MES- System oder im IoT-System mit ihren Fähig- keiten und Diensten anmelden. Beschreibung von Fähigkeiten („Skills“) von Produktionsanlagen, bestimmte Ferti- gungsverfahren wie Drehen oder MAG- Schweißen ausführen zu können oder Materialflussfunktionen wie Heben oder Stetigfördern durchzuführen. Außerdem umfassen die Fähigkeiten Attribute und ihre zulässigen Wertbereiche sowie ggfs. Teile der Logik. Mit diesen Beschreibungen kön- nen Produktionsmittel schnell zu Anlagen für neue Fertigungsaufgaben zusammen- gebaut, konfiguriert und in Betrieb genom- men werden. Datenbasierte Modelle des Normalverhal- tens einer Maschine, einer Linie oder einer kompletten Produktion, basierend auf Lauf- zeitdaten, die aus dem realen Betrieb, z. B. mit Hilfe maschinellen Lernens, gewonnen werden. Offline- und Online-Simulationen ein- schließlich spezieller Simulatoren, z. B. für Finite Elemente, Virtuelle Inbetriebnahme oder die Simulation physikalischer Prozesse. Im Idealfall interagieren verschiedene Simu- lationsmodelle miteinander. Der Begriff des Digitalen Zwillings ist in der Vergangenheit oft mit der Simulation gleichgesetzt wor- den; aus der Sicht des IOSB ist diese Defini- tion jedoch zu eng. Die Digitale Fabrik, die ein „umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Metho- den und Werkzeugen (…)“ beschreibt, „die durch ein durchgängiges Datenmanage- ment integriert werden“, z. B. für Produkti- ons- und Materialflussanlagen, Gebäude und Technische Gebäudeausrüstung (VDI 4499, Blatt 1). Der Begriff der Digitalen Fabrik ist seit langem bekannt und in ein- schlägigen Standards beschrieben, z. B. der Richtlinienreihe 4499 des VDI. Zu vollständigen Digitalen Zwillingen gehö- ren außerdem IT-Sicherheit, Zugriffsrechte, Zertifikatshandling, Versionsmanagement und Kompatibilitätstests verschiedener Ver- sionen Digitaler Zwillinge. Digitale Zwillinge sind für Industrie 4.0 und die Digitalisierung der Fertigung essentiell. Ihr In- halt entsteht in den verschiedenen Lebens- zyklusphasen eines Produkts oder einer Fabrik, mit unterschiedlichen Werkzeugen auf diver- sen Plattformen. Aus den ersten Beispielen in der Praxis ist schon jetzt ersichtlich, dass Digi- tale Zwillinge sehr anwendungsspezifisch und für jedes Unternehmen maßgeschneidert zu definieren sind. Das IOSB verfügt mit seinen Modellfabriken über ein verteiltes Produkti- onssystem als Kooperations- und Test- umgebung für Industrie 4.0-Technologien. Gemeinsam mit internationalen Partnern ge- stalten wir in der Plattform Industrie 4.0 und im Industrial Internet Consortium (IIC) die Zu- kunft der Informations- und Kommunikations- technik für die vernetzte Fabrik. Digitaler Zwilling Von Dr. Olaf Sauer, Fraunhofer IOSB Unter dem Begriff „Digitaler Zwilling“ versteht das IOSB ein Konzept, mit dem Produkte sowie Maschinen und ihre Komponenten mit Hilfe Digitaler Werkzeuge modelliert werden, und zwar einschließlich sämtlicher Geometrie-, Kinematik- und Logikdaten. Ein Digitaler Zwilling ist das Abbild des physischen „Assets“ in der realen Fabrik und er- laubt dessen Simulation, Steuerung und Verbesserung. Industrie 4.0-Arbeitsgruppen diskutieren Digitale Zwillinge in Verbindung mit der sog. Verwaltungsschale und Industrie 4.0-Komponenten. Bild: © Fraunhofer IOSB / Grafik: © 2017 Gartner, Inc. Digital Twin-Spezialausgabe des visIT-Magazins www.iosb.fraunhofer.de/ servlet/is/81711 Dr.-Ing. Olaf Sauer Geschäftsfeld Automatisierung/ Stellvertreter des Institutsleiters Digitale BusinessCard Hype Cycle for Emerging Technologies, 2017 Webseite

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