OEM&Lieferant Ausgabe 1/2020

6 Editorial von Elisabeth Klock und Dr. Rudolf Müller Liebe Leserinnen und Leser, Es ist sicherlich keine leichte Übung in diesen Tagen, eine gesicherte Aussage zur Zukunft der deutschen und europäischen Automobilindus- trie zu treffen. Da sind zum einen die Vertreter der Untergangstheorie, die die Auto- mobilindustrie in der Kontinuität von Schwer- und Stahlindustrie als Ergebnis eines tiefgreifenden Strukturwandels auf dem Weg in die spätindustrielle Bedeutungslosigkeit sehen. Befördert wird diese Sichtweise von denjenigen, die den Individualverkehr zu einem der Hauptschuldigen des Klimawandels erklären und dessen Eindäm- mung oder sogar Abschaffung zum politischen Glaubensziel erho- ben haben. Dagegen sprechen jedoch gewichtige Fakten. In der Tat lässt der In- dividualverkehr in städtischen Ballungsräumen keine nennenswerte Wachstumspotenziale für den klassischen Automobilbau mehr er- kennen. Angesichts verstopfter Innenstädte muss hier der öffentliche Personennahverkehr oberste Priorität haben und die Entwicklung in- telligenter, vernetzter Mobilitätskonzepte steht zurecht in allen deut- schen und europäischen Großstädten auf Platz eins der Prioritätenliste von Städte- und Verkehrsplanern. Aber dennoch: Trotz oder gerade wegen Verkehrswende und Klimaschutz - die Automobil- und Zulie- ferindustrie investiert kräftig in ihre und damit unser aller Zukunft. Insbesondere die Herausforderungen der Elektromobilität werden mit Entschiedenheit angegangen. Circa 60 Milliarden Euro für Elek- tromobilität und Digitalisierung plant die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie in den kommenden drei Jahren zu investieren. Im Produktportfolio der deutschen OEM`s werden dann über 100 neue E-Modelle zu finden sein. Jedoch sind die Produktstrategien deutscher Hersteller durchaus unter- schiedlich. Während VW voll und ganz auf den batterie-elektrischen Antrieb setzt, gehen BMW und Daimler technologieoffener vor und entwickeln auch weiterhin Fahrzeuge mit Hybrid- oder Wasserstoff- Antrieb. Welche Strategie erfolgreich sein wird, entscheiden letztlich Markt und Kunde. Der Zulieferindustrie kann dies nur recht sein. Mit ihrem breiten Leistungs- und Produktspektrum deckt sie alle Antriebs- varianten ab und fördert damit die internationale Wettbewerbsfähig- keit der deutschen Automobilindustrie. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss man jedoch konzedieren, dass sich die Automobil- und Zulieferindustrie in einem äußerst schwierigen Marktumfeld bewegt. Konnte der europäische PKW- Markt sein Vorjahresniveau 2019 noch leicht übertreffen, verzeichne- ten die Märkte in USA, Japan, Indien und Russland teilweise erhebliche Rückgänge. Besonders besorgniserregend entwickelt sich mit China der mittlerweile größte Automobilmarkt der Welt. In China sank das PKW-Marktvolumen um fast zehn Prozent – und das nunmehr schon im zweiten Jahr. Und die ersten Zahlen des Jahres 2020 sind insbeson- dere vor dem Hintergrund der grassierenden Corona Epidemie wenig ermutigend. Auch schwebt der amerikanisch-chinesische Handelsstreit – wenn auch zwischenzeitlich weniger heftig – und die ungelösten Fragen des Brexit weiterhin als Damoklesschwert über den Märkten. Und die Bundesre- gierung prognostiziert in ihren Vorhersagen keine belebenden Perspek- tiven – sowohl für den Binnenmarkt als auch für den Export. Die Automobil- und Zulieferindustrie wird sich in den kommenden Jah- ren auf ein insgesamt unsicheresMarkt- und Konjunkturumfeld einrich- ten müssen. Und der Strukturwandel wird nicht ohne Konsequenzen bleiben. Gewinne werden nicht mehr sprudeln wie in den letzten fetten Jahren. Auch wird die Zahl der Beschäftigten voraussichtlich zurück- gehen. Mit ihren umfassenden Zukunftsinvestitionen, ihrer erheblichen In- novationsfähigkeit und dem Know-how ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie für diese schwierige Entwicklungsphase gut aufgestellt. Und dass ausgerechnet Tesla, der derzeit größte Hersteller von Elek- troautomobilen seinen ersten ausländischen Produktionsstandort in Brandenburg errichtet, ist nicht nur ein gutes Zeichen für den Produk- tionsstandort Deutschland, sondern auch und insbesondere für die deutsche Automobil- Zulieferindustrie. Allen Autoren und Autorinnen, Interviewpartnern und -partnerinnen sowie unseren Anzeigenkunden danken wir ganz herzlich für die ver- trauensvolle Zusammenarbeit. Wir laden Sie ganz herzlich ein, in der nächsten Ausgabe unseres Magazins, das im Herbst 2020 erscheinen wird, wieder mit dabei zu sein. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir viel Freude bei der Lektüre unseres Magazins mit seinen Vernetzungs- und Verlinkungsoptionen. Elisabeth Klock Dr. Rudolf Müller OEM&Lieferant www.oemundlieferant.de

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