unternehmen & trends DIGITAL 1/2021
spezifischen Aufgabenstel lungen des Unternehmens arbeiten und die dabei bei- spielsweise promovieren und dann später mit ihrem bei uns erworbenen Know-how wieder in ihr Unternehmen zurückkeh- ren und dort als Multiplikatoren wirken. „Embedded Scientist“ ist eigentlich eine Konstruktion, um talentierte und entwick- lungsfähige Mitarbeiter aus Unternehmen bei uns weiter zu qualifizieren. Wir wollen hier nicht im akademischen Elfenbeinturm sitzen und uns Modelle ausdenken, die für die Industrie interessant sein könnten. Viel- mehr soll die Karlsruher Forschungsfabrik eine Entwicklungs- und Testumgebung sein, in der wir gemeinsam mit großen und kleinen Unternehmen an realen und relevanten Aufgabenstellungen für neue Produktionsprozesse arbeiten, die die Fir- men in die Lage versetzen, neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen. In den Projekten, die wir jetzt haben, beobachten wir oft, dass gleichzeitig neue Produkte entwickelt werden müssen und parallel dazu auch neue Prozesse. Und dazu ge- hört nicht nur der Prozess, wie man zum neuen Produkt kommt, sondern manch- mal auch Prozesse, die zu Innovationen führen. Dazu kommt, dass wir ständig da- rüber nachdenken, was mit all den durch maschinelles Lernen oder KI generierten Daten Sinnstiftendes angefangen werden kann, um den Kunden Mehrwerte auch in Form neuer, geänderter Geschäftsmodelle zu bieten. Dies überfordert manche Unter- nehmen in ihrer durch Routine geprägten täglichen Praxis. Deswegen brauchen sie eine solche Entwicklungs- und Testumge- bung in Form der Forschungsfabrik, um aus der täglichen Arbeit herauszukommen und Abstand zu finden. Viele Unternehmen haben eine Art Immunsystem gegen Inno- vationen. Das muss auch oftmals so sein, weil die laufende Entwicklung und Produk- tion Prozessstabilität erfordert. Dann zu sagen: wir wollen etwas Neues anfangen, wir haben eine neue Produktidee und da- für brauchen wir neue Prozesse, ist eine erhebliche Herausforderung. Dann ist es gut, dies gemeinsam in einer Umgebung zu machen, die auch inspiriert. Wir haben in Lemgo, Ostwestfalen/Lippe schon eine Smart Factory OWL, in der wir entspre- chend positive Erfahrungen gesammelt haben. Dort sind eine ganze Reihe von Unternehmenspartnern, die gemeinsam Ideen entwickeln und sich über ihre Pro- jekte austauschen. Nur durch den direkten Austausch entstehen Innovationen. Wich- tig ist, dass die Unternehmenspartner Ideen gemeinsam entwickeln, auf die sie allein wahrscheinlich gar nicht gekommen wären. Wir brauchen diese Testumgebung, um wirklich auch Prozesse aufzubauen. Manchmal ist es auch so, dass die Unter- nehmen in ihren eigenen Hallen keinen Platz haben, um einen Prozess aufzubauen und zu erproben. Dann ist es einfach ideal, wenn man eine Testumgebung hat, in der man das machen kann. Offensichtlich haben sie schon gute Erfahrungen mit dem Konzept „Em- bedded Scientist“ gesammelt Welche Anforderungen haben Sie an den po- tentiellen „Embedded Scientist“? Wer aus einem Unternehmen ist dafür be- sonders gut geeignet? Sauer: In der Regel handelt es sich um Mitarbeiter/innen eines Unternehmens, die schon einige Jahre im Unternehmen gearbeitet haben, im kleineren Rahmen auch schon eigene verantwortungsvolle Aufgaben und Projekte übernommen ha- ben und nun vor einem weiteren Entwick- lungsschritt stehen. Die Unternehmen schlagen den Einsatz als „Embedded Scientist“ als Schritt zur Weiterqualifika- tion vor. Die Leute bleiben dann auf der Pay-roll des Unternehmens. Sie arbeiten teilweise in der Forschungsfabrik mit un- seren Teams an einem Thema, das sie mitbringen und gleichzeitig auch in ihrem Unternehmen. Eine anderen Möglichkeit besteht darin, dass Unternehmen mit ei- nem Thema kommen, das zu bearbeiten sie niemanden im eigenen Unternehmen haben. Hier zahlt sich die Nähe zur Uni- versität aus. Wir suchen aus dem Kreis der Promovierenden oder anderen For- schenden jemanden aus, der sich dem Thema widmet. Diese werden dann in der Forschungsfabrik mit der Anbindung an das Unternehmen installiert. Wann kann es denn losgehen mit ihrer Forschungsfabrik? Wie sind die weite- ren zeitlichen Planungen? Sauer: Wir haben zwei Bauherren und zwei Baukörper, das KIT und die Fraun- hofer Gesellschaft bauen jeweils ein Ge- bäude, die durch einen Foyerriegel mitei- nander verbunden sind. Von außen wird das Ganze aber als einheitliches Gebäu- de erscheinen. Wir gehen davon aus, dass das Gebäude uns am 30.04.2021 als Nut- zern übergeben wird. Innerhalb der Fab- rik haben wir acht mal acht Meter große Versuchsfelder definiert. Diese Felder können von Unternehmen belegt werden mit Demonstratoren, mit neuen Prozes- sen, Maschinen und Anlagentechnik. Wir können verschiedene Forschungsfelder hintereinander schalten, um komplette Prozesse darzustellen und zu erproben. Welche Unternehmen können zu Ihnen kommen? Gibt es Beschränkungen hinsichtlich Unternehmensgröße oder Branche? Sauer: In Karlsruhe und Umgebung gibt es ein ganz lebendiges Ökosystem von Partnern, mit denen wir schon lange zu- sammenarbeiten: Von Start-ups über klein- und mittelständische Unterneh- men, die aus der Region kommen, bis hin zu multinationalen Konzernen. Karlsruhe ist ein optimaler Standort für Informati- onstechnologie für die Produktion. IT ist hier an verschiedenen sehr angesehenen Forschungsinstituten hervorragend ver- treten. In der schon bestehenden Zusam- menarbeit mit all diesen Partnern ist die Forschungsfabrik ein weiterer Baustein. Es ist kein Labor, sondern eine wirkliche Fabrik mit all der Infrastruktur, die man braucht, um Anlagen und Maschinen schnell anzuschließen Wir verfügen über ein eigenes Rechenzentrum für die Fabrik, um die generierten Daten schnell zu ver- arbeiten. Wir haben die Anbindung an das Steinbuch Center for Computing des KIT. Wir verfügen damit über die komplette Infrastruktur, um modern produzieren zu können. Außerdem hat unsere Fabrik eine offene, helle und transparente Struktur, die auch eine angenehme Arbeitsatmo- sphäre entstehen lässt. An wen können sich Unternehmen wen- den, um ihr Interesse an einer Mitarbeit in der Forschungsfabrik zu bekunden? Sauer: Interessierte Unternehmen kön- nen sich direkt an mich oder an eine der anderen beteiligten Institutionen wenden. Die Karlsruher Forschungsfabrik hat kei- ne eigene Rechtspersönlichkeit. Sie ist eine gemeinsame Initiative der drei betei- ligten Institute. In welchem Verhältnis stehen Sie zum Smart Electronic Factory e.V. (SEF)? Sauer: Für uns ist der SEF sehr wich- tig, weil wir dadurch schon mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammenarbeiten und gemeinsame Forschungsprojekte beantragen. Dies ist für uns eine Informationsquelle, um herauszufinden, vor welchen Problemen und Herausforderungen kleine und mit- telständische Unternehmen stehen und welcher Kompetenzen es bedarf, um ge- meinsam Aufgaben lösen zu können. Der SEF ist ein wichtiger Partner im Netzwerk solcher Unternehmen, die nicht alle allein die erforderlichen Kompetenzen im über- aus komplexen Themenbereich Industrie 4.0 aufbauen können. Kein Unternehmen kann das alleine für sich entwickeln. Herr Dr. Sauer, herzlichen Dank für das Gespräch und den Einblick in die Karls- ruher Forschungsfabrik. Quelle: Vogel IT-Medien GmbH Dr.-Ing.Olaf Sauer https://t1p.de/ep9m Embedded Scientists in der Forschungsfabrik https://t1p.de/jzl7 16
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