OEM&Lieferant 2/2023

17 offenheit, E-Fuels oder Euro-7 herausarbeiten und einen engeren, direkteren Dialog bei zukünftigen Auseinandersetzungen vereinbaren. Zudem konnte das Verbandsnetzwerk auch auf der Ebene des Automechanika-Beirats mit den Entscheidern aller relevanten Automotive-Verbänden gefestigt werden. Die EU hat die Geltungsdauer der sog. Aftermarkt-GVO um weitere fünf Jahre bis zum 31.05.2028 verlängert. Sehen Sie sich dadurch in Ihren bisherigen Forderungen bestätigt oder besteht weiterhin Handlungsdruck in diesem Bereich? Thomas Vollmar: Grundsätzlich sind wir mit der Verlängerung der sog. Aftermarket-GVO für den Kraftfahrzeugsektor um weitere fünf Jahre zufrieden und sehen uns auch in unseren bisherigen Bemühungen bestätigt. Allerdings hätten wir die in den ergänzenden Leitlinien berücksichtigten Regelungen zur Bereitstellung von fahrzeuggenerierten Daten lieber in der verbindlichen Verordnung gesehen. Nach der GVO heißt für uns vor der GVO. Wir müssen bereits heute schon wieder mit Praxisbeispielen, Anhörungen und Initiativen auf die nächste Verlängerung der Kfz-GVO hinarbeiten und die dynamische, technologische Entwicklung sowie die Digitalisierung in unseren Stellungnahmen und Vorschlägen zum Verordnungstext berücksichtigen. Eine zentrale Forderung des GVA betraf und betrifft den fairen Zugang zu Fahrzeugdaten. Nun hat die EU mit dem Datengesetz/Data Act eine Regelung geschaffen, wonach der Nutzer eines Geräts von dem Hersteller die Herausgabe der Daten oder auch die Weitergabe an Dritte verlangen kann. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks begrüßt das Gesetz. Sie fordern eine weitergehende Regelung. Was ist Ihre Zielvorstellung? Thomas Vollmar: Auch der GVA begrüßt das neue Datengesetz, zumal es einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung darstellt. Bezogen auf den Kfz-Sektor geht uns das Gesetz aber tatsächlich nicht weit genug. Eine sektorale Regelung zum Zugang zu Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierten Daten ist aus unserer Sicht dringend notwendig. Das Gesetz berücksichtigt leider nicht die enorme Komplexität und Vielfalt von Daten aus dem Fahrzeug, die letztlich auch sicherheitsrelevant sind. Hier wird ein Fahrzeug nicht anders betrachtet als eine Kaffeemaschine. Die Fragen zum gleichberechtigten Zugang zu den Daten bis hin zu den Aspekten der Cybersecurity werden nicht geregelt. Fahrzeugdaten und fahrzeuggenerierte Daten spielen aber heute schon eine entscheidende Rolle und nicht erst in fünf Jahren. Im Moment haben die Fahrzeughersteller aufgrund eines fehlenden geeigneten Rechtsrahmens eine faktische Monopolstellung, da die Daten auf ihren Servern liegen und nur sie entscheiden, wer, wann auf welche Daten zugreifen kann. Daher können wir selbstverständlich noch nicht mit dem Datengesetz zufrieden sein. Die innovativen Akteure des freien Marktes dürfen nicht ins Abseits geraten, dafür kämpfen wir weiter. Der Anteil von E-Fahrzeugen bei den Neuzulassungen in Deutschland liegt bei mittlerweile 16 Prozent – Tendenz steigend. Sind Ihre Werkstätten darauf vorbereitet und könne Sie mit Ihrer Infrastruktur den erforderlichen Service dafür bieten? Thomas Vollmar: Der GVA vertritt die berufsständischen Interessen des freien Kfz-Teilehandels. Unsere Mitglieder bedienen die freien Werkstätten mit Qualitätsteilen, Werkstattausrüstung und mit einem riesigen Dienstleistungs- und Schulungsangebot. Hierzu gehört selbstverständlich auch das komplette Equipment rund um die Elektromobilität. Und im Hinblick auf die Qualifizierung von Fachkräften in den Ausbildungsberufen der Kfz-Branche, werden in Abhängigkeit von den jeweils gültigen Rahmenlehrplänen elektrotechnische Grundkenntnisse sowohl im theoretischen als auch im praktischen Teil vermittelt. Die meisten KfzMechatroniker besitzen mit abgeschlossener Ausbildung den Abschluss der Fachkundeausbildung nach Stufe 2S. Für den Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik gilt indes die Stufe 3S. E-Fahrzeuge gelten im Vergleich zu Fahrzeugen mit klassischen Antriebsarten als deutlich wartungsärmer. Angeblich ist der Wartungsaufwand circa 30 bis 35 Prozent geringer. Wie kompensieren Ihre Mitgliederdiesen sicherlich auch im Umsatz spürbaren Effekt? Thomas Vollmar: Diese Frage treibt die Branche bereits seit vielen Jahren um und dennoch müssen wir hier ganz nüchtern die Realität betrachten. Die Werkstätten verspüren trotz Elektrofahrzeugen noch keinen Einfluss auf ihre Auslastung, die aktuell bei über 85 Prozent liegt. Der Anteil von Elektrofahrzeugen am gesamten Fahrzeugbestand ist Mitte 2023 kleiner als 3 Prozent. Nun kennen wir das politische Ziel von 15 Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030. Mit den aktuellen Neuzulassungszahlen ist nicht mit einem Erreichen dieses Ziels zu rechnen, allerdings können die neuen Batteriegenerationen mit Reichweiten von 1.000 Kilometern und deutlich günstigeren Preisen in den nächsten Jahren einen regelrechten Boom auslösen. Mit 15 Millionen Elektrofahrzeugen wären aber noch immer knapp 35 Millionen Verbrennerfahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs. Das Werkstattgeschäft wird sich also nur allmählich verändern, zumal die Entwicklung bei den Neuzulassungen den Sekundärmarkt erst mit einer deutlichen Verzögerung erreicht. Dann werden die Werkstätten mit neuen Schadensbildern in der Werkstatt umgehen. Bremsen werden bei den Elektrofahrzeugen kaum verschlissen, dafür verrotten bzw. verkleben sie regelrecht, da sie kaum benutzt werden müssen. Fahrwerks- und Lenkungsteile werden aufgrund des höheren Fahrzeuggewichts stärker beansprucht und müssen ausgetauscht werden. Und bei CrashFällen werden die Reparaturen mit den Batterieeinheiten in der Bodenplatte deutlich anspruchsvoller. Insofern würde ich mich heute weder als Teilehändler noch als Werkstattinhaber diesen Weltuntergangsgedanken anschließen. Der Mangel an Fachkräften gilt als ein Haupthindernis für die Bewältigung des Strukturwandels in der Automobilindustrie mit einem Schwerpunkt bei den Elektroberufen. Wie gehen Ihre Mitgliedsunternehmen mit dieser Problematik um? Gelingt es Ihnen das erforderliche Fachpersonal zu rekrutieren? Thomas Vollmar: Auch hier müssen wir unterscheiden zwischen dem Großhandel und den Werkstätten. Die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker ist bei den männlichen Schulabgängern noch immer am beliebtesten. Letztes Jahr haben sich ca. 70.000 Auszubildende für diesen Beruf entschieden, um die die Autohäuser und Werkstätten mit vielen weichen Faktoren buhlen. Hier gibt es regionale Besonderheiten und immer die Frage nach den Zukunftsperspektiven. Diese Frage muss jedes Unternehmen beantworten können. Ähnlich sieht es im Teile-Großhandel aus, der sich im Wettbewerb um Fachkräfte mit der gesamten Automotive-Welt behaupten muss. Bei dem aktuellen Arbeitnehmermarkt ist das eine echte Herausforderung, zumal bei immer mehr Bewerbern die Themen Homeoffice und Work-Life-Balance bei maximalem Gehalt im Vordergrund stehen. Davon abgesehen unterstützen wir unsere Mitgliedsunternehmen, in dem wir mit verschiedenen Kampagnen die Attraktivität unserer Branche hervorheben. Unser GVACollege zählt zu den renommiertesten Fortbildungsprogrammen im Bereich KfzTeilehandel bzw. Kfz-Teileindustrie. Zudem bieten wir ein breites Seminarprogramm, das kontinuierlich weiterentwickelt wird und den sich ändernden Rahmenbedingungen des Marktes und der Branche Rechnung trägt. Das Gespräch führte Dr. Rudolf Müller, freier Journalist GVA College www.gva-college.de GVA www.gva.de

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