OEM & Lieferant - Ausgabe 2/2022

3 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, selten waren Zukunf tsaussichten so unklar wie heute. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Strategie- und Planungsbereichen der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie sind beileibe nicht um ihre Aufgaben zu beneiden. Über Jahre feststehende Rahmenbedingungen haben sich über Nacht fundamental verändert und machen exakte, jahresgenaue Voraussagen und Planungen fast unmöglich. So scheint sich der Krieg in der Ukraine länger hinzuziehen als dies von politischen Beobachtern ursprünglich angenommen worden war. Derzeit ist kein realistisches Szenario für einen Waffenstillstand oder gar eine dauerhafte politische Stabilisierung Osteuropas erkennbar. Dies macht Aussagen zu Marktentwicklungen unmöglich und jede Festlegung aus heutiger Sicht wäre unseriös. Zum Ukraine-Konflikt ist mit der Diskussion zwischen China und den Vereinigten Staaten über den völkerrechtlichen Status von Taiwan ein neues, geostrategisches Problem entstanden, das gravierende Auswirkungen auf die Teileversorgung der weltweiten Automobilindustrie mit elektronischen Bauteilen haben könnte. Nach Meldungen des Handelsblatts liegt der Anteil Taiwans an der internationalen Chipproduktion bei derzeit 77 Prozent. Man stelle sich nur ein Szenario vor, in dem die chinesische Führung zum Kaufboykott europäischer und US-amerikanischer Autos aufrufen würde. Die Folgen einer solchen Entwicklung wären verheerend. Die deutsche Automobilindustrie realisiert derzeit circa 40 Prozent ihres Umsatzes in China. War der Verlust des volumenschwachen russischen Marktes noch verkraftbar, wäre der Ausfall Chinas ein Desaster. Wie der chinesische Markt künftig aus der Sicht der deutschen Automobilindustrie künftig zu entwickeln ist, gleicht eh schon der Quadratur des Kreises. Einerseits bemüht man sich – Lehren aus dem Russland-Ukraine Konflikt ziehend – um eine Reduzierung von Abhängigkeiten. Andererseits ist der chinesische Markt für die deutsche Automobilindustrie als der Wachstumsmarkt von essentieller Bedeutung. Im Schatten der politischen Auseinandersetzung bewegen sich die deutschen OEMʼs und Zulieferer insbesondere durch das gezielte Abschließen von Produktions- und Entwicklungspartnerschaften mit chinesischen Unternehmen mit bemerkenswertem Geschick. Derzeit ebenfalls nicht vorhersehbar und damit auch nicht planbar sind die sich aus der Energiekrise ergebenden Konsequenzen. Exorbitante Preis- und Kostensteigerungen bei Gas, Strom und Mineralöl bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das Kaufverhalten. So wurden im Juli 2022 fast 13 Prozent weniger Pkw neu zugelassen als im Vorjahresmonat. Insbesondere die Strompreisentwicklung wird nicht ohne Folgen für den Absatz batterie-elektrisch angetriebener Fahrzeuge bleiben. Weitere Rückgänge könnten sich auch aus der Reduzierung der staatlichen Förderung zum Jahresende 2022 ergeben. Dann werden wieder Marktmechanismen entscheiden, welche Antriebsart sich langfristig durchsetzen wird. Der Preisdruck auf die Anbieter von E-Fahrzeugen wird schon spürbar. Große Sorgen bereiten allen Marktteilnehmern eine drohende Rezession und die gestiegene Inflation. Hier bleibt zu hoffen, dass energisches Gegensteuern von EZB und Bundesregierung nicht ohne positive Folgen bleiben wird und geplante Entlastungen zur Beruhigung der Märkte beitragen wird. Positive Signale gehen von einem weitgehend stabilen Arbeitsmarkt aus. Nicht nur die demografische Entwicklung und der allseits beklagte Fachkräftemangel führen dazu, dass die Unternehmen bemüht sind, ihre Angestellten zu halten und auch durch Neueinstellungen für Ersatz zu sorgen. Dahinter steht eine begründete Zuversicht in eine positive Zukunftsentwicklung, die nicht zuletzt in der Qualität der Produkte, der Innovationskraft der Unternehmen und der hohen Qualifikation der Angestellten ihre Ursachen hat. Gestützt wird diese Zuversicht durch neuste, empirische, volkswirtschaftliche Erkenntnisse, wonach zyklisch auftretende Konjunkturkrisen zeitlich deutlich kürzer verlaufen als sich daran anschließende Erholungs- und Prosperitätsphasen. Dieses Phänomen war bereits in der Finanzkrise 2009/2010 zu beobachten, der eine fast zehnjährige Wachstumsphase folgte. Die Beiträge dieser Ausgabe von OEM&Lieferant sind auch Belege für diese Zuversicht und Stärke unserer Industrie und ihrer Dienstleister. Unser Dank gilt allen Autorinnen und Autoren, Interviewpartnerinnen und -partnern sowie allen Anzeigenkundinnen und -kunden für die hervorragende Zusammenarbeit. Ihre Redaktion Elisabeth Klock und Dr. Rudolf Müller OEM&Lieferant www.oemundlieferant.de Dr. Rudolf Müller Elisabeth Klock

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