OEM & Lieferant - Ausgabe 2/2022

20 Bild: © Martin Joppen Photografie Dr. Martina Fohr Dr. Rudolf Müller Interview Veränderte Managementprioritäten aufgrund Energiekrise, Klimawandel und Digitalisierung Energiekrise, Klimawandel und Digitalisierung führen zu einer Umpriorisierung von Managementthemen sowie der Schaffung ganz neuer Top-Managementpositionen. Dr. Rudolf Müller – ehemaliger Personalvorstand und Arbeitsdirektor der DB Cargo in der Diskussion mit Dr. Martina Fohr, die bei Spencer Stuart – einem der global renommiertesten Anbietern von Executive Search – den Bereich Transport und Logistik verantwortet. Dr. Rudolf Müller: Unsere gesamte Industrie – branchenunabhängig – befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Digitalisierung, Klimawandel und nun auch noch eine nicht voraussehbare Energiekrise stellen das Management vor neue, bisher nicht gekannte Herausforderungen. Sind unsere Unternehmen und ihr Management dafür gerüstet oder gibt es einen qualitativen Know-how Nachholbedarf? Dr. Martina Fohr: Digitalisierung, Sustainability und Energie sind die Top 3 „neuen“ Rekrutierungsfelder in der deutschen Industrie. Dabei sind die ersten zwei Felder schon in einem weiteren Entwicklungsstadium als Energie Management. Im Bereich Digitalisierung/Tech hat sich in den letzten ein bis zwei Jahren das Management Portfolio stark in Fokusfelder diversifiziert. Sustainability ist durch Umweltkatastrophen in einen neuen Fokus gerückt. Während vor einigen Jahren vor allem DAX Unternehmen Know-how aufgebaut und Klimaneutralitätsziele definiert haben, wird dieser Bereich nun verstärkt in KMUs eingebaut. Oft geht Sustainability direkt in Energiemanagement über. Wir haben Beispiele gesehen, wo Chief Sustainability Officers bei Global Playern durch frühere Energy-CEOs besetzt werden. Spezial Know-how zum Thema Energiemanagement ist seit diesem Jahr jedoch der klare Boom-Bereich. In energieintensiven Industrien wie Chemie und Stahlerzeugung ist die Substitution von Gas durch Wasserstoff, Wärmepumpen oder Solar besonders dringlich und Top Experten Know-how gefragt. Aber auch in der Logistikindustrie wird über Solaranlagen auf Lagerhallen nachgedacht. Je nach Industrie kann das Thema Energiemanagement zukünftig existenziell sein – Fachexpertise von außen ist wichtiger denn je geworden. Dr. Rudolf Müller: Zu den sachlichen Veränderungen kommen strukturelle – vor allem von der Digitalisierung initiierte Veränderungen der Arbeitswelt, die mit dem hergebrachten Führungsinstrumentarium nur schwer zu beherrschen sind. Welche Handlungsbedarfe sehen Sie in diesem Zusammenhang? Dr. Martina Fohr: Digital Leadership entwickelt sich immer mehr zu einer wichtigen Management-Kompetenz. Seit der Pandemie beobachten wir, dass Unternehmen, die hybride Arbeitsmodelle kategorisch ablehnen und eine komplette Anwesenheit im Büro erwarten, einen Großteil des Kandidatenmarktes verlieren. Wir haben Suchen erlebt, bei denen mehr als 50 Prozent der Kandidaten und Kandidatinnen ablehnten, weil Anwesenheit an einem eher ländlichen Standort erwartet wurde. Auf der anderen Seite gibt es einen steigenden Anteil an Personen, die nicht „nur“ von zuhause aus arbeiten möchten. Insofern scheint sich der Markt hier klar in eine hybride Lösung zu entwickeln. Dr. Rudolf Müller: Die Vielfältigkeit der Herausforderung bedeutet wohl auch, Abschied vomGeneralisten als Führungsleitbild zu nehmen. Welche Funktionen werden ihn ersetzen? Dr. Martina Fohr: Geprägt ist ein Unternehmen letztlich durch die Überzeugungen des Managements. Wir erleben nur noch selten den Wunsch, einen traditionellen Manager für eine Position zu finden. Gefragt sind moderne Leader mit digitaler Führungskompetenz und Mindset. Auch Empathie spielt eine immer größere Rolle bei der Auswahl. Die hard facts werden dabei zunehmend zur Eingangsvoraussetzung und der „cultural fit“ zum Entscheidungskriterium. Dr. Rudolf Müller: Auch die Funktion des mehr generalistisch angelegten CIO ist dabei, sich in mehrere Management-Teilfunktionen zu differenzieren. Wo sehen Sie hier die inhaltlichen Schwerpunkte? Dr. Martina Fohr: Während es vor einigen Jahren vor allem CIOs gab, die auf den Bereich IT/Infrastruktur und Applications fokussiert waren, hat sich das Spektrum nun deutlich erweitert. Gesucht werden Chief Technology Officers, die sich eher auf die Engineering und Architektur konzentrieren kombiniert mit Produkt Management, Chief Product Officers mit einem Fokus auf die Digitalisierung von Produkt und Marketing sowie Chief Digital Officers, die im wesentlichen Produktmanagement, Marketing und die Vetriebskomponente von Digitalisierung abdecken sollen. Daneben sind auch Rollen wie der Chief Information Security Officer sowie der Chief Data Analytics Officer gefragt. Viele Unternehmen besetzen diese Positionen extern und kaufen industrieübergreifende Subject Matter Experts zu. Spencer Stuart www.SpencerStuart.com Teilen

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