OEM & Lieferant - Ausgabe 2/2022

10 Die Ampelkoalition hat in ihrer Koalitionsvereinbarung ein ambitioniertes Programm zur umfassenden Dekarbonisierung des Verkehrssektors vorgelegt. So sollen noch vor 2035 in Deutschland nur noch CO2neutrale Pkw zugelassen werden. Wie sehen Sie die Realisierung dieser ehrgeizigen Zielsetzung? Armin Gehl: Grundsätzlich ist an der Zielrichtung der Festlegungen des Koalitionsvertrages nichts Wesentliches auszusetzen. Allerdings müssen wir feststellen, dass die Realisierung nicht in allen Feldern gelingt bzw. dass politisch die falschen Weichenstellungen erfolgen oder dass gewisse Bereiche nicht mit der erforderlichen Intensität bearbeitet werden. Wo sehen Sie Weichenstellungen, die in die falsche Richtung weisen? Armin Gehl: Auch wenn sich der Bundesverkehrsminister in seinen öf fentliche Äußerungen zum Prinzip der Technologieoffenheit bekennt, sehen wir in der politischen Umsetzung ein eindeutiges Primat bei der Förderung der E-Mobilität zulasten anderer alternativer Antriebsformen wie Wasserstof f oder synthetischer Kraf tstoffe – sogenannter E-Fuels. Auch die voreilige politische Stigmatisierung des Verbrennungsmotors, der als Kolbenmotor nach Auf fassung aller Fachleute noch über ein erhebliches umweltneutrales Entwicklungs- und Innovationspotential beim Einsatz CO2-freier Kraftstoffe verfügt, halten wir für einen Schritt in die falsche Richtung. Welche konkreten politischen Maßnahmen stützen Ihre Auffassung? Armin Gehl: Die Priorisierung der E-Mobilität kommt schon allein im zur Verfügung stehenden Fördervolumen zum Ausdruck. Bisher wurde die Anschaffung von Elektroautos über den sog. Umwelt-Bonus mit einem Volumen von 4,6 Milliarden Euro gefördert – Tendenz steigend. Für die Installation von privaten Ladestationen für Elektroautos wurde das Fördervolumen kürzlich auf 400 Dekarbonisierung des Verkehrssektors – stimmt die Richtung? Interview mit Armin Gehl, Geschäftsführer des autoregion e.V., Saarbrücken Sind wir auf dem richtigen Weg hin zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors oder erweisen sich die Versprechungen der Politik in der konkreten Umsetzung als zu ambitioniert? Hat man insbesondere bei alternativen Antriebsarten auf das richtige Pferd gesetzt oder laufen wir Gefahr, wichtige Entwicklungen und technologische Chancen zu verschlafen? Ein Diskurs über Möglichkeiten und konkrete politische Weichenstellung als Beitrag zum Klimawandel im Verkehrssektor. Bild: © autoregion e.V. Millionen aufgestockt. Für die Erforschung, Erprobung und Herstellung synthetischer Kraftstoffe stehen nur rund 100 Millionen Euro staatliche Fördermittel zur Verfügung. Dies ist ein krasses Missverhältnis und wird der potenziellen Bedeutung von E-Fuels in keiner Weise gerecht und bedarf einer dringenden Korrektur. Geht denn die Ankündigung von Wirtschaftsminister Habeck, die Förderung von Hybrid-Fahrzeugen einzustellen oder deutlich zu reduzieren, in die richtige Richtung? Armin Gehl: Der Ausweg aus dem Missverhältnis staatlicher Förderung kann nicht darin bestehen, eine an sich sinnvolle Förderung von Antriebsarten zugunsten oder zulasten anderer Antriebssysteme zu reduzieren, einzustellen oder auszuweiten. Die E-Mobilität ist neben anderen Antriebsarten ein fundamental wichtiger Baustein unserer Dekarbonisierungsstrategie. Und der Hybridantrieb – die Kombination von Verbrennungs- und Elektroantrieb – stellt neben dem reinen batterieelektrischen Antrieb eine bedeutende Variante zumindest als Überbrückungstechnologie dar. Armin Gehl, Geschäftsführer autoregion e.V., Saarbrücken

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