OEM&Lieferant Ausgabe 2/2021
10 Im Parteiprogramm der GRÜNEN heißt es wörtlich: „ Ab dem Jahr 2030 wollen wir nur noch abgasfreie Neuwagen zulassen.“ Die SPD geht davon aus, dass die Zukunft elektri- schen Antrieben gehöre, ohne dafür ein kon- kretes Datum zu nennen. Für die LINKE ist der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis spätestens 2030 klimapolitisch alter- nativlos. Sie fordert darüber hinaus ein Ex- portverbot für PKWmit Verbrennungsmotor. Auch weite Teile der Presse gehen vom bevorstehenden Ende des Verbrennungs- motors aus. So hat Gerald Traufetter im SPIEGEL vom 05.06.2021 das Jahr 2045 zum definitiven Ende der „Ära der Verbrenner“ ausgerufen – das Jahr in dem Deutschland klimaneutral sein soll. autoregion e.V. Kein Nachruf – Zur Zukunft des Verbrennungsmotors Von Armin Gehl, Geschäftsführer des autoregion e.V., Saarbrücken Das Ende oder zumindest das künftige Verbot des Verbrennungsmotors scheint conditio sine qua non für einen klimaneutralen Verkehr zu sein. So wird es zumindest in Teilen von Politik und Presse kolportiert. Die scheinbar einfache Lösung und die damit verbundene Priorisierung batterieelektrischer Antriebe negiert jedoch gewichtige Probleme – ein Plädoyer für mehr Technologieoffenheit. Bild: © autoregion e.V. Sogar einige Hersteller haben sich vom Verbrenner ver- abschiedet. So erklärte Mary Barra, CEO von General Mo- tors, ihr Unternehmen wolle ab 2035 nur noch lokal emissions- freie PKW verkaufen. In die- selbe Kerbe schlug auch Ford mit der Ankündigung, bis zum Ende des Jahrzehnts das Fahr- zeugangebot komplet t auf elektrische Antriebe umzu- stellen. Jaguar will dieses Ziel bereits 2025 erreichen. Volvo Cars plant, ab 2030 nur noch reine Elektrofahrzeuge vom Band laufen zu lassen und will sogar auf Hybridfahrzeuge ver- zichten. Auch der VW-Konzern setzt voll auf batterie-elektri- sche Antriebe, ohne jedoch ein bestimmtes Ausstiegsdatum für die Verbrenner-Technologie zu nennen. Deutlich konkreter sind in die- ser Hinsicht einige Staaten. Am rigorosesten dabei schrei- tet Norwegen mit einem Ver- brenner-Verbot ab 2025 voran. Nicht ganz so ambitioniert planen Dänemark, Irland, die Niederlande, Slowenien und Schweden mit dem Jahr 2030. Spanien und Frankreich wollen sich bis 2040 Zeit geben. Noch nicht absehbar in Ihren Konsequenzen ist die Entscheidung der EU-Kommission, wonach ab 2035 Neu- wagen gar kein CO2 mehr ausstoßen dür- fen. Dies könnte ein faktisches Verbrenner- Verbot auf fossiler Basis für den EU-Raum bedeuten. Man könnte angesichts dieser Szenarien tatsächlich den Eindruck gewinnen, die Zeit des Verbrennungsmotors sei definitiv abgelaufen. Betrachtet man die Aussagen genauer, bleiben jedoch gewichtige Fragen offen. So werden die beschäftigungspolitischen Folgen eines politisch von einigen Parteien gewollten Ende des Verbrennungsmotors nicht ausreichend offen und ernsthaft dis- kutiert. Aufgrund der Transformation zum Elektroantrieb könnten bundesweit bis zum Jahr 2025 mindestens 178.000 Beschäftigte und bis 2030 rund 215.000 Arbeitsplätze in der zumeist mittelständisch geprägten Zu- lieferbranche wegfallen, die innerhalb die- ses Industriesektors nicht substituierbar sind. Selbst die IGMetall prognostiziert, daß mehr als 250 Zulieferbetriebe vor der Pleite stünden. Auch die industriepolitische Dimension dieser Ausstiegsszenarien scheint nicht mit aller Konsequenz durchdacht zu sein. Mit einem schnellen Ausstieg aus der Ver- brennungstechnologie würde man eine global einzigartige technologische Spitzen- position aufgeben. Keine andere Industrie- nation wäre in der Lage, in kürzerer Zeit ein solches technologisches Niveau in der Antriebstechnik zu erreichen. Dies zeigt die aktuelle Wettbewerbssituation bei Fahrzeugen mit Elektroantrieb. Tesla – lange Zeit am Markt als no-name Anbieter agierend – gelang es, im Rekordtempo zum Marktführer bei batterie-elektrischen Fahr- zeugen aufzusteigen. Ähnlich gestalten sich die Verhältnisse auf dem chinesischen Markt. Bisher kaum in Erscheinung ge- tretene Hersteller produzieren Elektrofahr- zeuge auf beachtlichem technologischem Niveau. Im Bereich der Verbrenner-Techno- logie war ihnen dies über Jahre hinweg nicht gelungen. Auch wenn deutsche, europäische und amerikanische OEM`s mit Hochdruck an der Entwicklung von elekt- risch angetriebenen Fahrzeugen arbeiten und mit neuen Modellen beachtliche Er- folge verzeichnen, ist auf einigen Techno- logiefeldern die Spitzenposition verloren gegangen. So haben in der für den Elektro- antrieb elementaren Batterietechnik Unter- nehmen aus China, Japan und Südkorea die Nase vorne. Gerade in der Batterietechnik und hier insbesondere beim Recycling von nicht mehr für den Fahrzeugantrieb geeigneten Batterien gibt es noch eine Reihe offener Fragen. Nach wie vor fehlen geeignete Armin Gehl, Geschäftsführer des autoregion e.V., Saarbrücken
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjUzMzQ=