OEM&Lieferant Ausgabe 2/2020
62 Interview „Keine Panik vor der Zukunft“ Oliver Hilt, FORUM – DAS WOCHENMAGAZIN, im Gespräch mit Armin Gehl, Geschäftsführer von autoregion e.V., Saarbrücken Der Automobilstandort Saarland hat Zukunft, wenn dieWeichen richtig gestellt und mit gebündelten Kräften in der Großregion konsequent verfolgt werden, sagt Armin Gehl, Geschäftsführer von autoregion e.V. Er fordert Wirt- schaft, Forschung und Technologie in eine Hand zu legen. Herr Gehl, die Bundesregierung hat im Zuge der Bewältigung der Pandemie- Folgen weitere Förderprogramme für E- Autos beschlossen. Ist damit auch eine Entscheidung über die Zukunft des Auto- mobils gefallen? Nein, die Zukunft des Automobils ist tech- nikoffen. Wir werden auch noch in 20 Jahren mit sauberen Verbrennern unterwegs sein. Die Entscheidung, nur E-Autos zu fördern war insofern falsch – und dies nicht nur ge- samtwirtschaftlich betrachtet, sondern auch unter Umwelt- und Klimaschutzgesichts- punkten. Besonders ärgerlich ist, dass die Politik den Anschein erweckt, E-Mobilität sei die Antriebslösung der Zukunft und noch dazu besonders nachhaltig. Dies ist aber ein Trugschluss, denn man muss die gesamte Kette der Elektromobilität betrachten. Das beginnt mit der Produktion der Batterie mit Seltenen Erden. Hier besitzt China 90 Prozent der weltweiten Schürfrechte, ist also markt- beherrschend. Und dabei reden wir noch gar nicht über die Gewinnung der Rohstoffe, teil- weise mit Kinderarbeit. So werden etwa beim Abbau von Lithium Unmengen von Wasser zum Auswaschen gebraucht. Die ganze Bat- teriewelt ist daher ein großer Umweltsünder. In einem Elektroauto wie dem Renault Zoe transportiere ich 200 Kilogramm Batterie, in einem größeren Auto wie dem Audi e-tron oder einem Tesla bis zu 700 Kilogramm. Und das alles nur, um vier Personen mit dem Ener- gieträger Strom bis zu 300 Kilometer beför- dern zu können. Unter dem Dachkonzept „Forschungsfa- brik Batterie“ der Bundesregierung sol- len aber Verbesserungen vorangetrieben werden. Wir haben in Deutschland aktuell rund 300.000 E-Autos zugelassen, mit im Schnitt 400 Kilo Batterielast: Auch wenn diese nach dem Einsatz in Autos nach etwa zehn Jahren noch eine Zeit lang etwa als lokale Speicher genutzt werden können, sind diese Akkus irgendwann am Ende und müssen recycelt werden. Doch derzeit gibt es in Europa nur ein einziges Unternehmen, das in der Lage ist, Akkus zu recyceln. (Umicor in Belgien mit einer Jahreskapazität von etwa 7.000 Tonnen, Anm. d. Red.). In Deutschland gibt es zurzeit nur Pilotanlagen. Das Problem ist, dass Batterien zwar heutzutage bis zu 90 Prozent recycelt werden können, es dafür aber Unmengen an Energie braucht. Sie können dem E-Auto also nichts Positi- ves abgewinnen? Grundsätzlich muss man sagen: Elektroautos sind durchaus sinnvoll im urbanen und regio- nalen Bereich. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Wo kommt der Strom her? Wenn wir eine Million Elektroautos ans Netz hängen, brauchen wir ein Kraftwerk mit 1000 MW. Die Franzosen freuen sich, das entspricht nämlich etwa der Leistung von einem Block im AKW Cattenom, wobei wir in Deutsch- land aus der Kernkraft wie auch aus der Koh- leverstromung aussteigen! Wir werden den Strombedarf der E-Autos in der gewünsch- ten Ausbaustufe von einer Million oder mehr sowie dem zusätzlichen Strombedarf für die Herstellung von H2 mit dem zukünftigen Sze- nario von Strom aus Wind und Sonnenkraft nicht decken können. Wir werden wieder über den Bau von Kernkraftwerken nach- denken müssen. Diese Debatte muss geführt werden, und da wünsche ich mir mehr Wahr- haftigkeit. Deutschen Autobauernwird vorgeworfen, die Entwicklung von Elektroautos ver- schlafen zu haben. Berechtigt? Klares Nein! Wenn wir ein Auto auf den Markt bringen, ist dieses Produkt perfekt: Die Tech- nik stimmt, die Verarbeitung und die Sicher- heit. Das dauert eben. Ich bin sehr froh, dass es bei europäischen Autobauern keine Marke- tingschnellschüsse gibt, die sich anschließend als Rohrkrepierer herausstellen. Andernorts muss der Kunde Jahre warten bis das Auto dann irgendwann auf denMarkt kommt – über die Verarbeitungsqualität, die an ein Nach- kriegsprodukt erinnert, will ich erst gar nicht reden. Warum haben amerikanische Autobauer, abgesehen von Tesla, kaum oder keine Elektroautos in der Pipeline? In Amerika heißt es immer noch: Big Block, also acht Zylinder, 6 Liter Hubraum, 500 PS. Tesla hat den Laden aufgemischt, war Visio- när, und macht ein Marketing, mit dem sich gerne jeder Politiker schmückt. Das deutsche Bilder: © Thomas Wieck, Auftragsarbeit FORUM Armin Gehl Geschäftsführer Autoregion e.V.
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