OEM & Lieferant Ausgabe 2/2019 - OEM & Supplier 2/2019 by VEK Publishing

90 Personaldienstleistungen Frauen in technischen Berufen – ein Beitrag gegen Fachkräftemangel und für Gendergerechtigkeit Jahrzehnte galten technische Berufe als reine Männerdomänen. Es gab immer wieder eine Reihe von Initiativen, insbesondere im Bereich der Ausbildung, die darauf abzielten, den Frauenanteil innerhalb dieser Berufsgruppen zu erhöhen und Frauen für technische Berufe zu begeistern. OEM&Lieferant sprach mit Gerald Anschütz, einem renommierten Personal- und Managementberater aus Düsseldorf über den Mangel an Frauen in MINT-Berufen und über die Gründe, warum der Frauenanteil technischer Studiengänge zwar steigt, sich aber auf die Beschäftigungs- zahlen nicht oder nur wenig auswirkt. Bild: © ANSCHÜTZ Management- und Personalberatung Herr Anschütz, werfen wir einen Blick auf die Statistiken, so stellen wir fest, dass der Frauenanteil in den MINT-Berufen (Mathe- matik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) nach wie vor mit rund zehn Pro- zent sehr niedrig ist. Woran könnte das liegen? Gerald Anschütz: Dafür gibt es mehrere Gründe. Vor allem die Interessenlage, die biologisch bedingt ist, macht hier viel aus. An den MINT-Bereichen haben grundsätzlich mehr Jungs als Mädchen Interesse. Auch die Förderung an den Schulen lässt zu wünschen übrig. Sich dort, über die hohen Ansprüche der naturwissenschaftlichen Schulfächer hi- naus, ein Bild von der tatsächlichen Anwen- dung der erworbenen Kenntnisse in Industrie, Forschung oder Lehre zu machen, ist kaum möglich. Es fehlt oft auch die Unterstützung der Eltern. Betrachtet man sich die Statistiken, wie viele Frauen sich tatsächlich für einen tech- nischen Studiengang entscheiden, stellt man fest, dass der Anteil an Frauen kon- tinuierlich steigt. Dennoch arbeiten nach wie vor nur wenige Frauen in technischen Berufen. Was glauben Sie, was hierfür die Gründe sind? Gerald Anschütz: Die Gründe, warum Frauen sich dann doch nicht für einen technischen Beruf entscheiden, liegen vor allem an der notwendigen, aber fehlenden, Unterstüt- zung der Schulen. Und diese wirkt, wie die vorgenannten Gründe, über die Ausbil- dung und das Studium hinaus. Auch wenn zirka 20 Prozent Frauen eine Ausbildung im MINT-Bereich starten, arbeiten tatsäch- lich nur zehn Prozent Frauen in technischen Berufen. Das bedeutet, dass wir etwa 50 Prozent der Frauen in diesem Berufsfeld verlieren. Die Gründe dafür sind vielsei- tig: Wechsel und Abbruch von Ausbildung/ Studium oder die Fortsetzung der Karriere in einem nichttechnischen Beruf. Damit verlieren diese Frauen aber auch gleichzei- tig die Chance, in einem ursprünglich ge- planten Bereich Karriere zu machen, einen höher dotierten Arbeitsplatz zu belegen und auch später in Führungspositionen zu gelangen. Hier könnten Frauen selbst einen wertvollen Beitrag zur Gendergerechtigkeit leisten. Warum gelingt es Arbeitgebern nicht, tra- dierte Verhaltensmuster zu durchbrechen? Gerald Anschütz: Arbeitgeber bieten, ge- rade für Frauen, sehr viel. In den Betrieben herrscht beim Einstieg absolute Gleich- berechtigung bei der Ausbildung und Be- zahlung. Auch in der Karriereentwicklung werden den Frauen normalerweise keine Steine in den Weg gelegt, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird. Sicher könnten Arbeitgeber und Unternehmensverbände mehr in positive Kommunikation für Frauen in technischen Berufen und deren Karriere- möglichkeiten investieren. Damit könnte man möglicherweise erreichen, dass sich mehr Frauen für eine Ausbildung oder ein technisches Studium entscheiden. Und was können die Unternehmen tun, um den Anteil an weiblichen Mitarbeitern zu steigern und vor allemVakanzenmit Frauen nachhaltig zu besetzen? Gerald Anschütz: Unternehmen können nur aus der Anzahl an Bewerberinnen auswäh- len, die sich melden oder für eine Ansprache offen sind. Und die ist im Moment sehr klein. Unternehmen, die eine Stelle mit technischem Profil besetzen möchten, stehen im harten Wettbewerb mit anderen Anbietern, die die Fähigkeiten einer MINT-Bewerberin nutzen möchten, dies aber in einem nichttechni- schen Beruf. Hier mehr Begeisterung für den technischen Beruf zu wecken, ist die Heraus- forderung. Dies kann aber bereits lange vor einer Stellenausschreibung geschehen: wäh- rend der gesamten Schul-, Berufsschul- und Hochschulzeit! Können Ihrer Meinung nach gesetzliche Vorgaben eine Verbesserung für Frauen bringen? Gerald Anschütz: Der Frauenanteil und die Bezahlung werden sich automatisch erhöhen, wenn Frauen mehr Courage bei der Ausbil- dungs- und Berufswahl zeigen. Staatliche Regulierung widerspricht den Regeln der Marktwirtschaft. Mehr Kommunikation und bessere Informationen über technische Berufe sowie deren Karrieremöglichkeiten werden mehr für die Gendergerechtigkeit und gegen den Fachkräftemangel ausrichten als Quoten und Entgeltgesetze. Vielen Dank für das Gespräch. ANSCHÜTZ Management- und Personalberatung www.anschuetz-beratung.de Webseite Gerald Anschütz

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