OEM & Lieferant Ausgabe 2/2019 - OEM & Supplier 2/2019 by VEK Publishing

88 Dienstleistungen Softwarekrise 2.0: Was wir aus der Vergangenheit lernen können Integrierte Produkt- und Serviceentwicklung mit Systems Engineering Von Philipp Wibbing, Partner der Managementberatung UNITY Mit steigender Komplexität der softwarelastigen Systeme werden die Entwickler vor immer neue Herausforde- rungen und Probleme gestellt. Ähnlichwie bei der Softwarekrise 1968 reichen die bisherigen Entwicklungsmethoden nicht mehr aus, um die weiter wachsende Komplexität aktueller Softwaresysteme zu beherrschen. Welche Lehren kann die Automobilindustrie heute aus der Softwarekrise von 1968 ziehen? Als die Computer in den 1960er Jahren anfingen, die Wirtschaft zu erobern, spielte die Software-Ent- wicklung noch keine große Rolle. Erst als die Preise für Rechenleistung stark sanken und die Computer immer leis- tungsstärker wurden, stiegen auch die Anforderungen an die Software – mit der Folge, dass die Komplexi- tät der Softwaresysteme deutlich schneller stieg als die Fähigkeit der Programmierer, diese Komplexität zu beherrschen. Darunter litt, trotz län- ger werdender Entwicklungszeiten, die Qualität der Software und es kam zur sogenannten Softwarekrise. Komplexitätstreiber nehmen zu Diese Problematik wiederholt sich: die Kom- plexität in der Entwicklung von Fahrzeugkon- zepten steigt exponentiell an. Produktsoft- ware entwickelt sich zum wesentlichen Teil automobiler Wertschöpfung – bereits 90 Pro- zent aller Innovationen sind softwarebasiert. Entscheidend für den Geschäftserfolg ist da- her vor allem die Integration des Fahrzeugs in ein bestehendes vernetztes Ökosystem (Sys- tem of Systems), um neue datengetriebene Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Doch auch Komplexitätstreiber wie autonomes Fahren, alternative Antriebe und Assistenzsysteme nehmen zu und verstärken sich. Probleme in Teilprozessen sind ein Hemmnis für Innovationen Die ganze Entwicklungsorganisation ist gefor- dert, sich zu verändern, um weiter steigende Komplexität beherrschbar zu machen. Die unterschiedlichen Fachbereiche entwickeln weitgehend autonom. Arbeitsweisen und Prozesse sind kaum aufeinander abgestimmt. Daraus entstehende Probleme in den unter- schiedlichen Teilprozessen hemmen Neu- entwicklungen, da sich diese nicht fehlerfrei integrieren lassen. Das Resultat sind Probleme in der Homologation, der Zulassung und der Zertifizierung. Kostensparende Kollaboratio- nen mit externen Entwicklungspartnern und Zulieferern werden erschwert. Doch was kön- nen wir lernen? Damals wurde der Krise be- gegnet, indem Software-Entwickler auf einer Konferenz wegweisende Techniken, Metho- den und Entwicklungen diskutierten – die Ge- burtsstunde des Software Engineerings. Der Weg aus der Krise: Systems Engineering betrachtet Entwick- lungen in der Gesamtarchitektur Genau wie damals braucht es heute neue Vorgehensmodelle in der systematischen Entwicklung: Systems Engineering! Nur so ist diese schnell steigende Komplexität be- herrschbar. Systeme im Sinne einer Archi- tektur komplett in logische Bestandteile zu zerlegen, Schnittstellen festzulegen und diese erst dann mit Leben zu füllen war auch der Schlüssel effizienter Software-Entwicklung. Kerngedanke des Systems Engineering-An- satzes ist es, die im gesamten Produktlebens- zyklus anfallenden Anforderungen bereits in die Konzeptphase eines Systems einfließen zu lassen. So werden die unterschiedlichen Vor- gehensweisen bei der Entwicklung von Soft- ware sowie elektrischen, elektronischen und mechanischen Anteilen berücksichtigt. Daher ist Systems Engineering die optimale Schnitt- stelle, um die interdisziplinären Fachbereiche der Entwicklung zu harmonisieren. Erfolgrei- che Beispiele sind vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Landtechnik und Elek- tronik-Industrie zu finden. Diese Branchen sind Vorreiter, da sie es bereits gelernt haben, in vernetzten Lösungen zu denken. UNITY AG www.unity.de Webseite Bild/Grafik: © UNITY AG Philipp Wibbing Partner UNITY AG Digitale BusinessCard Quelle: UNITY, in Anlehnung an Herbert Weber, Manfred Broy, „Systemorientiertes Automotive Engineering“, erschienen in Informatik Spektrum, Juni 2009.

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