OEM & Lieferant Ausgabe 2/2019 - OEM & Supplier 2/2019 by VEK Publishing

11 autoregion e.V. Ohne Panik in die Zukunft OEM&Lieferant im Gespräch mit Armin Gehl, Geschäftsführer der autoregion e.V. Saarbrücken Bild: © autoregion e.V. Herr Gehl, der Konjunkturhimmel über Deutschland trübt sich deutlich ein. Die Wachstumsprognose der fünf führenden Wirtschaftsinstitute für 2019 wurde von 1,9 auf nur noch 0,8 Prozent des Bruttoin- landsprodukts abgesenkt. Ähnliche Zahlen werden für die Prognosen der Automobil- industrie genannt. „Autoindustrie 2019 Abfahrt ins Ungewisse“ titelte der Tages- spiegel am 4. Januar 2019. Müssen wir uns ernsthafte Sorgen um die Zukunft der Auto- mobilindustrie in Deutschland machen? Armin Gehl: Ein klares NEIN! Deutschland ist und bleibt mit seinen Entwicklungen imSektor Auto weiterhin Benchmark. Der Ausbau der Elektromobilität bedeutet für die Automobilindustrie eine enorme fi- nanzielle Herausforderung. Die 16 führen- den Autokonzerne haben im vergangenen Jahr ihre Investitionen in die Elektromobi- lität fast verdoppelt. Tesla scheint gerade daran zu scheitern. Nicht wenige Experten vermuten, dass Tesla Ende des Jahres pleite sein könnte. Wie beurteilen Sie die Risiken angesichts immer noch niedriger Zulas- sungszahlen für Elektrofahrzeuge? Armin Gehl: Das angestrebte Ziel der Politik, über eine Million reine E-Autos auf unseren Straßen, ist bei der derzeitigen Ladeinfrastruk- tur absurd. Auch die Verlängerung der Subven- tionen fruchtet nicht. Die Politik müsste den Mut haben ihre Aussage zu wiederrufen und die reine E-Mobilität auf den urbanen Bereich konzentrieren, d.h. kleinere und bezahlbare E-Modelle. Es ist der größte Unsinn, dass Fahr- zeuge für den Bereich mit Reichweiten über 100 km, mehr als 500 Kg Batterien imUnterbau durch die Gegend schleppen. Die reine E-Mo- bilität auf reiner Batterietechnologie wird sich nicht im Massenmarkt durchsetzen. Hier sehe ich nur eine Chance für Plug In Hybride mit Verbrenner oder einer Brennstoffzelle. Wie geht die gerade in Ihrer Region stark vertretene Zulieferindustriemit demThema „Elektromobilität“ um? Konnten Unterneh- men, die bisher stark auf die Verbrennungs- technologie fokussiert waren, sich strate- gisch neu positionieren oder mussten die OEM’s sich neue Zulieferer suchen? Armin Gehl: Die in unserer Region angesiedel- ten Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt und produzieren nun auch Bauteile für Fahrzeuge mit E-Antrieb bzw. Hybride. Ist dieKonzentrationauf dieE-Mobiliät nicht ein zusätzliches Risiko? Geraten dadurch alternativ Antriebskonzepte wie etwa die Wasserstofftechnologie ins Abseits? Armin Gehl: Nein, Wasserstoff als Energieträ- ger wird kommen, davon bin ich überzeugt.Nur in den Kreisen der Politik hat man, so glaube ich, das Zeichen der Zeit noch nicht erkannt und verrennt sich immer noch in die reine E-Mobili- tät auf Batteriebasis. Unsere verantwortlichen Politiker sollten sich auf die Festlegung der Rahmenbedingungen konzentrieren, aber die Umsetzung sollten sie der Industrie überlassen! Der internationale Handelskonflikt, bisher hauptsächlich zwischen den USA und China ausgetragen, hat durch die Androhung von Strafzöllen gegenüber Mexiko eine neue Dimension erhalten, die auch die deutsche Automobilindustriemehr undmehr belastet. Ist diese Risiko überhaupt noch beherrsch- bar oder müssen wir uns beim Export auf ständig sich ändernde Rahmenbedingun- gen einstellen mit den entsprechenden Konsequenzen für die internationale Stand- ortpolitik der Automobilkonzerne? Armin Gehl: Die Gefahr lauert wie ein Damo- klesschwert über den Köpfen der Automobil- industrie.Trump ist unberechenbar, aber er hat vielleicht auch erkannt, dass die deutschen Autobauer in ihrenWerken in denUSA sehr viel zu einer positiven Bilanz beitragen, Arbeits- plätze sichern und sogar neue aufbauen.Der Export ist nicht direkt in Gefahr, außer China überlegt sich, dass die Wertschöpfungstiefe eines Produktes zu mehr als 75 % in China zu erfolgen hat, dann hätten unsere Premiuher- steller ein Problem. Im vergangenen Jahr haben Probleme mit der Zertifizierung neuer Modelle nach den aktuellen Abgasvorschriften WLTP zu Pro- duktionsstaus und Zulassungsrückgängen geführt. Sind diese Probleme zwischen- zeitlich überwunden oder müssen sich die Käufer weiterhin auf Lieferengpässen ins- besondere bei neuen Motoren einstellen? autoregion e.V. https://autoregion.eu/de Webseiten Kontakt https://autoregion.eu/de/contact Armin Gehl Armin Gehl: Meines Wissens sind diese Prob- leme vom Tisch. Dass der Innlandsverkauf im Moment nicht so gut läuft wie im letzten Jahr, ist bekannt, aber wir klagen auf einem sehr hohen Niveau. China erlebte in den vergangenen zehn Jahren einen außerordentlichen Wachs- tumsboom und hat sich zum wichtigsten Automobilmarkt der Welt entwickelt. Nun hat im letzten Jahr auch hier erstmals eine doch deutliche Verlangsamung des Wachs- tums eingesetzt.Welche Konsequenzen hat dies für die deutsche Automobilindustrie? Armin Gehl: Ich glaube, dass die Innlandspro- duktion nicht stark betroffen sein wird, da man hier nur einige wenige Modelle für den China-Markt erzeugt und exportiert. Lediglich fünf Prozent der Inlandsproduktionwurden im Jahre 2018 nach China exportiert. Die Automobilindustrie war in den vergan- genen Jahren ein ausgesprochener Job-Mo- tor und hat gerade in Ihrer Region einen nicht unerheblichen Beitrag zum Struktur- wandel weg von der Schwerindustrie geleis- tet. Wird sich dies in der Zukunft fortsetzen oder rechnen Sie mit Beschäftigungsrück- gängen, verursacht insbesondere durch neue, weniger arbeitsintensive Technolo- gien und geringeren Absatzmengen? Armin Gehl: Nein, die Unternehmen in der Großregion sind sehr gut aufgestellt und se- hen in der Zukunft eine Herausforderung und eine Chance, ohne in Panik und Schockstarre zu verfallen. Neue Produkte und die Einführung neuer zukunftsweisender Technologien in der Produktion werden angenommen und umge- setzt. Auch legen die Unternehmen sehr gro- ßenWert auf die Fort- undWeiterbildung ihrer Mitarbeiter, um sie für die Robotik und somit für den Einsatz von Industrie 4.0 zu qualifizieren. Vielen Dank für das Gespräch. Das Gespräch führte Dr. Rudolf Müller

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