OEM&Lieferant Ausgabe 2/2018 / OEM&Supplier Edition 2/2018

14 Kfz-Teilemarkt Der gesamte Automobilmarkt und damit auch der Kfz-Aftermarket ist mächtig in Be- wegung geraten. Wie wirkt sich insbeson- dere der Trend zur Digitalisierung auf die- sen Markt aus? Hartmut Röhl: Im Kfz-Ersatzteilmarkt sehe ich die Auswirkungen der Digitalisierung vor allem auf zwei Ebenen. Besonders tangiert werden zum einen die Prozesse in der gesamten Wert- schöpfungskette vom Teileproduzenten bis hin zum Autofahrer. Hier hilft uns die Digitalisie- rung, erhebliche Produktivitätspotentiale zum Wohle des Endverbrauchers zu realisieren. Wir verbessern mit digitalen Lösungen stetig unsere Lieferprozesse und unsere Leistungsfähigkeit – insbesondere im Hinblick auf die Teileverfügbar- keit. Hier sehe ich die Unternehmen des freien Marktes mit ihrer ausgefeilten IT und Logistik markenübergreifend gegenüber den Teilever- triebsnetzen von Automobilherstellern i.d.R. im Vorteil. Die zweite Ebene der Digitalisierung be- trifft die Vernetzung der Fahrzeuge. Dies prägt den Kfz-Aftermarkt entscheidend. Besondere Bedeutung bei dieser Dimension der Digitalisie- rung hat für unsere Branche die Frage des Zu- gangs zu den Daten und Ressourcen im Fahr- zeug sowie zum Autofahrer selbst – wir spre- chen hier also von zwei Schnittstellen: von der zum Auto und von der zum Fahrer bzw. Kunden. Fahrzeughersteller versuchen, sich den Zugang zu den Daten und zum Fahrer exklusiv zu si- chern und damit unabhängige Anbieter aus dem Markt zu drängen. Der GVA setzt sich nach- drücklich dafür ein, dass die für die Vernetzung relevanten Schnittstellen im Fahrzeug über eine offene Telematik-Plattform frei zugänglich, in- teroperabel, sicher und standardisiert gestaltet werden. Übereinstimmung gibt es in dieser Frage u.a. mit der Teileindustrie, Vertretern der Werkstätten, Flottenbetreibern und Verbrau- cherschutzverbänden. Der Gesetzgeber ist ge- fordert, die Fahrzeugvernetzung wettbewerbs- und verbraucherfreundlich auszugestalten. Der Dieselskandal hat nachhaltig den guten Ruf der deutschen Automobilindus- trie beschädigt. Bilden sich die Folgen die- ses Skandals auch im Kfz-Aftermarkets ab bzw. ist dies nicht gerade für ihre Mitglie- der eine Chance gegenüber den OEM-ge- bundenen Wettbewerbern? Hartmut Röhl: Der Dieselskandal hat nicht nur der Automobilindustrie, sondern der gesamten deutschen Industrie geschadet. Das internatio- nal hoch geschätzte „Made in Germany“-Label hat damit deutlich sichtbare Kratzer erhalten und dessen Renommee und Glaubwürdigkeit hat in der gesamten Welt gelitten. In der Politik haben Achtung und Respekt gegenüber den Fahrzeugherstellern spürbar abgenommen. Be- sonders betroffen im Aftermarket sind die auf die Dieselwartung spezialisierten Werkstätten. Angesichts rückläufiger Zulassungszahlen bei Dieselfahrzeugen ist die Investitionsbereit- schaft in Diesel-spezifische Ausrüstung der Be- triebe deutlich geschrumpft. Und angesichts ungewisser Zukunftsperspektiven werden teils erforderliche Zukunftsinvestitionen zunächst zurückgestellt. Von einer Verpflichtung zur Nachrüstung älterer Diesel-Fahrzeuge würde vor allem die spezialisierte Teileindustrie profi- tieren - bei entsprechender gesetzlicher Aus- gestaltung auch wir und das gesamte Kfz-Ge- werbe. Wir unterstützen die Forderung des ADAC zu einer Nachrüstungsverpflichtung der Fahrzeughersteller. Der freie Welthandel gerät durch drohende Schutzzölle auf Automobile in den USA er- heblich unter Druck. Hat dies auch Auswir- kungen auf die Wettbewerbssituation ihrer Mitgliedsunternehmen? Hartmut Röhl: Die Teile- und Komponenten- hersteller sind ebenso wie die Fahrzeugprodu- zenten von den massiven Drohungen mit Schutzzöllen potenziell betroffen. Sie produzie- ren genau wie die Fahrzeughersteller u.a. in den USA bzw. Europa und nutzen die gleichen Exportwege. Wir lehnen es grundsätzlich ab, mit Methoden des 19. Jahrhunderts den freien Welthandel einzuschränken oder ihn mit admi- nistrativen und bürokratischen Hürden zu er- schweren. Die Globalisierung lässt sich nicht umkehren. Früher sorgten Schiebedach und Klima- anlage als Sonderausstattungen für mehr Wertschöpfung im Automobil. Heute sind es Module digitaler Vernetzung. Auf die dort generierten Informationen zuzugrei- fen, scheint ihren Mitgliedern durch die Haltung der Automobilhersteller immer schwieriger zu werden. Wie positioniert sich der GVA dazu? Hartmut Röhl: Die Digitalisierung ist sicherlich die nächste industrielle Revolution im Fahr- zeugbau. Die für uns zunächst wichtige Kern- frage ist: Wem gehören die im und durch das Fahrzeug generierten Daten, wer bekommt wie Zugriff darauf? Hierbei geht es sicherlich nicht nur um allgemeine technische Daten, die nach der vorherrschenden Rechtsauffassung nie- mand gehören, sondern in erster Linie um die Verknüpfung von technischen und personenbe- zogenen Daten sowie solchen Daten, die nichts mit dem technischen Zustand des Fahrzeugs zu tun haben. Wie ich bereits ausgeführt habe, plädiert der GVA für eine offene Telematik- Plattform im Fahrzeug, auf die nicht nur die Fahrzeughersteller Zugriff haben sollten. Dabei geht es jedoch nicht nur um den freien Zugriff Bewegte Zeiten – auch im Kfz-Ersatzteilmarkt OEM&Lieferant sprach mit Hartmut Röhl, Präsident des Gesamtverband Autoteile-Handel e.V., über aktuelle Entwicklungen seiner Branche. Der Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. ist der Branchenverband und die politische Interessenvertretung des freien Kfz-Teile-Großhandels in Deutschland. Darüber hinaus spricht er auch für die rund 2.000 Einzelhändler von Kfz-Ersatzteilen. Im GVA sind derzeit rund 130 Handelsunternehmen mit über 1.000 Betriebsstellen sowie 125 Kfz-Teilehersteller und Anbieter technischer Informationen organisiert. Bilder: © Gesamtverband Autoteile-Handel e.V. Hartmut Röhl

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