OEM & Lieferant - Ausgabe 1/2021

30 bestimmte Qualitätsmerkmale im Gesamt- prozess verantwor tlichen Parameter zu identifizieren. Sie bieten der Industrie in der Karlsruher Forschungsfabrik auch „Embedded Scien- tist“ an. Was versteht man darunter? Sauer: Wir verstehen unter „Embedded Scien- tist“ Mitarbeiter aus Unternehmen, die ge- meinsam mit unserem Team an spezifischen Aufgabenstel lungen des Unternehmens arbeiten und die dabei beispielsweise pro- movieren und dann später mit ihrem bei uns erworbenen Know-how wieder in ihr Unter- nehmen zurückkehren und dort als Multi- plikatoren wirken. „Embedded Scientist“ ist eigentlich eine Konstruktion, um talentierte und entwicklungsfähige Mitarbeiter aus Unternehmen bei uns weiter zu qualifizieren. Wir wollen hier nicht im akademischen Elfen- beinturm sitzen und uns Modelle ausdenken, die für die Industrie interessant sein könnten. Vielmehr soll die Karlsruher Forschungsfabrik eine Entwicklungs- und Testumgebung sein, in der wir gemeinsam mit großen und klei- nen Unternehmen an realen und relevanten Aufgabenstellungen für neue Produktions- prozesse arbeiten, die die Firmen in die Lage versetzen, neue Produkte schnell auf den Markt zu bringen. In den Projekten, die wir jetzt haben, beobachten wir oft, dass gleich- zeitig neue Produkte entwickelt werden müs- sen und parallel dazu auch neue Prozesse. Und dazu gehört nicht nur der Prozess, wie man zum neuen Produkt kommt, sondern manch- mal auch Prozesse, die zu Innovationen führen. Dazu kommt, dass wir ständig darüber nach- denken, was mit all den durch maschinelles Lernen oder KI generierten Daten Sinnstiften- des angefangen werden kann, um den Kunden Mehrwerte auch in Form neuer, geänderter Geschäftsmodelle zu bieten. Dies überfordert manche Unternehmen in ihrer durch Routine geprägten täglichen Praxis. Deswegen brau- chen sie eine solche Entwicklungs- und Test- umgebung in Form der Forschungsfabrik, um aus der täglichen Arbeit herauszukommen und Abstand zu finden. Viele Unternehmen haben eine Art Immunsystem gegen Innova- tionen. Das muss auch oftmals so sein, weil die laufende Entwicklung und Produktion Prozessstabilität erfordert. Dann zu sagen: wir wollen etwas Neues anfangen, wir haben eine neue Produktidee und dafür brauchen wir neue Prozesse, ist eine erhebliche Heraus- forderung. Dann ist es gut, dies gemeinsam in einer Umgebung zu machen, die auch in- spiriert. Wir haben in Lemgo, Ostwestfalen/ Lippe schon eine Smart Factory OWL, in der wir entsprechend positive Erfahrungen ge- sammelt haben. Dort sind eine ganze Reihe von Unternehmenspartnern, die gemeinsam Ideen entwickeln und sich über ihre Projekte austauschen. Nur durch den direkten Aus- tausch entstehen Innovationen. Wichtig ist, dass die Unternehmenspartner Ideen gemein- sam entwickeln, auf die sie allein wahrschein- lich gar nicht gekommen wären. Wir brauchen diese Testumgebung, um wirklich auch Pro- zesse aufzubauen. Manchmal ist es auch so, dass die Unternehmen in ihren eigenen Hallen keinen Platz haben, um einen Prozess aufzu- bauen und zu erproben. Dann ist es einfach ideal, wenn man eine Testumgebung hat, in der man das machen kann. Offensichtlich haben sie schon gute Erfah- rungen mit dem Konzept „Embedded Scien- tist“ gesammelt Welche Anforderungen haben Sie an den potentiellen „Embedded Scientist“?Wer aus einemUnternehmen ist dafür besonders gut geeignet? Sauer: In der Regel handelt es sich um Mit- arbeiter/innen eines Unternehmens, die schon einige Jahre im Unternehmen gearbei- tet haben, im kleineren Rahmen auch schon eigene verantwortungsvolle Aufgaben und Projekte übernommen haben und nun vor einem weiteren Entwicklungsschritt stehen. Die Unternehmen schlagen den Einsatz als „Embedded Scientist“ als Schritt zur Weiter- qualifikation vor. Die Leute bleiben dann auf der Pay-roll des Unternehmens. Sie arbeiten teilweise in der Forschungsfabrik mit unseren Teams an einem Thema, das sie mitbringen und gleichzeitig auch in ihrem Unternehmen. Eine anderen Möglichkeit besteht darin, dass Unternehmen mit einem Thema kommen, das zu bearbeiten sie niemanden im eige- nen Unternehmen haben. Hier zahlt sich die Nähe zur Universität aus. Wir suchen aus dem Kreis der Promovierenden oder ande- ren Forschenden jemanden aus, der sich dem Thema widmet. Diese werden dann in der Forschungsfabrik mit der Anbindung an das Unternehmen installiert. Wann kann es denn losgehen mit ihrer For- schungsfabrik? Wie sind die weiteren zeit- lichen Planungen? Sauer: Wir haben zwei Bauherren und zwei Baukörper, das KIT und die Fraunhofer Gesell- schaft bauen jeweils ein Gebäude, die durch einen Foyerriegel miteinander verbunden sind. Von außen wird das Ganze aber als ein- heitliches Gebäude erscheinen. Wir gehen da- von aus, dass das Gebäude uns am 30.04.2021 als Nutzern übergeben wird. Innerhalb der Fabrik haben wir acht mal acht Meter große Versuchsfelder definiert. Diese Felder können von Unternehmen belegt werden mit Demons- tratoren, mit neuen Prozessen, Maschinen und Anlagentechnik. Wir können verschiedene Forschungsfelder hintereinander schalten, um komplette Prozesse darzustellen und zu er- proben. Welche Unternehmen können zu Ihnen kommen? Gibt es Beschränkungen hinsicht- lich Unternehmensgröße oder Branche? Sauer: In Karlsruhe und Umgebung gibt es ein ganz lebendiges Ökosystem von Partnern, mit denen wir schon lange zusammenarbei- ten: Von Start-ups über klein- und mittel- ständische Unternehmen, die aus der Region kommen, bis hin zu multinationalen Konzer- nen. Karlsruhe ist ein optimaler Standort für Informationstechnologie für die Produktion. IT ist hier an verschiedenen sehr angese- henen Forschungsinstituten hervorragend vertreten. In der schon bestehenden Zusam- menarbeit mit all diesen Partnern ist die For- schungsfabrik ein weiterer Baustein. Es ist kein Labor, sondern eine wirkliche Fabrik mit all der Infrastruktur, die man braucht, um An- lagen und Maschinen schnell anzuschließen Wir verfügen über ein eigenes Rechenzent- rum für die Fabrik, um die generierten Daten schnell zu verarbeiten. Wir haben die Anbin- dung an das Steinbuch Center for Computing des KIT. Wir verfügen damit über die kom- plette Infrastruktur, um modern produzieren zu können. Außerdem hat unsere Fabrik eine offene, helle und transparente Struktur, die auch eine angenehme Arbeitsatmosphäre entstehen lässt. An wen können sich Unternehmen wenden, um ihr Interesse an einer Mitarbeit in der Forschungsfabrik zu bekunden? Sauer: Interessierte Unternehmen können sich direkt an mich oder an eine der anderen beteiligten Institutionen wenden. Die Karls- ruher Forschungsfabrik hat keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie ist eine gemeinsame Initiative der drei beteiligten Institute. InwelchemVerhältnis stehen Sie zumSmart Electronic Factory e.V. (SEF)? Sauer: Für uns ist der SEF sehr wichtig, weil wir dadurch schon mit kleinen und mittel- ständischen Unternehmen zusammenarbei- ten und gemeinsame Forschungsprojekte beantragen. Dies ist für uns eine Informa- tionsquelle, um herauszufinden, vor welchen Problemen und Herausforderungen kleine und mittelständische Unternehmen stehen und welcher Kompetenzen es bedarf, um ge- meinsam Aufgaben lösen zu können. Der SEF ist ein wichtiger Partner im Netzwerk solcher Unternehmen, die nicht alle allein die erfor- derlichen Kompetenzen im überaus komple- xen Themenbereich Industrie 4.0 aufbauen können. Kein Unternehmen kann das alleine für sich entwickeln. Herr Dr. Sauer, herzlichen Dank für das Ge- spräch und den Einblick in die Karlsruher Forschungsfabrik. Quelle: Vogel IT-Medien GmbH Dr.-Ing. Olaf Sauer Geschäftsfeld Automatisierung / Stellvertreter des Institutsleiters Digitale BusinessCard Embedded Scientists in der Forschungsfabrik https://t1p.de/jzl7 PodCast

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