OEM&Lieferant Ausgabe 1/2019

65 Thomas Pottebaum: Google ist als erster Konzern bereits 2009 mit der Entwicklung des autonomen Fahrens gestartet und hat inzwischen einen deutlichen technischen Vorsprung. Dabei reden wir bereits über Systeme der Stufe vier, die zukünftig voll- automatisiertes Fahren ohne Fahrereingriffe in bestimmten Gebieten ermöglichen. Der Vorsprung zeigt sich nicht zuletzt an inzwi- schen über 15 Millionen zurückgelegten Test- kilometern in der realen Welt. Hinzu kommt ein Vielfaches von virtuellen Testkilometern im Computer. Die Alphabet-Tochter Waymo liegt auch bei den sogenannten Disengage- ments – der Zahl der Eingriffe durch einen Testfahrer in kritischen Situationen während des autonomen Fahrbetriebsmodus – deut- lich vor den Wettbewerbern. Die Fahrzeuge fahren inzwischen über 10.000 km autonom ohne einen Eingriff. Im Herbst 2018 hat Waymo bereits eine Ge- nehmigung vom California Department of Motor Vehicles (DMV) erhalten, zukünftig auf öffentlichen Straßen in bestimmten Gebieten sogar ohne Sicherheitsfahrer an Bord testen zu dürfen. OEM&Lieferant: Sie sprechen auch bei Waymo noch von einem Testbetrieb. Wie viel Zeit bleibt den Wettbewerbern denn für die Aufholjagd, bis erste Roboter-Taxis ihren Dienst aufnehmen? Thomas Schiller: Waymo hat bereits 2018 mit Fiat Chrysler eine Vereinbarung über den Kauf von62.000Mini-Vans geschlossen, diemit dem eigenen autonomen Fahrsystem ausgerüstet werden. Die Flotte soll zusätzlich durch 20.000 Jaguar I-Pace ergänzt werden. Diese Dimensio- nen zeigen, dass ein kommerzieller Fahrdienst- betrieb – ähnlich dem heutigen Angebot von Uber oder Lyft – kurz vor der Markteinführung steht. Es scheint auch nicht abwegig, dass Waymo mit den zuvor genannten Ride-Hai- ling-Anbietern kooperiert und deren digitale Infrastruktur für die Fahrtenvermittlung nutzt. Unabhängig davon wird sich Waymo vermut- lich zunächst auf ausgewählte Städte in den USA konzentrieren und weiterhin erst einmal Sicherheitsfahrer zur Steigerung der Nutzer- akzeptanz von Roboter-Taxis an Bord haben. Aber die strategische Stoßrichtung ist klar und lässt den Wettbewerbern wenig Zeit, um die- sen Vorsprung zum vollautonomen Fahren zu schließen. OEM&Lieferant: Das klingt ja fast wie ein Abgesang auf die traditionellen Automobil- hersteller und ihre Zulieferer. Was können diese denn tun, um das Blatt noch zu wen- den? Thomas Pottebaum: Im Vergleich zu disrupti- ven Entwicklungen in anderen Industrien und den vielzitierten Untergängen von Nokia oder Kodak haben die Automobilisten einen klei- nen Vorteil: Die relativ langen Produktlebens- zyklen in der Automobilindustrie geben ihnen etwas mehr Zeit, um eine Neuausrichtung der eigenen Positionierung vorzunehmen. Jetzt kommt es darauf an, möglichst schnell eine neue Balance zwischen Investitionen in das traditionelle Automobilgeschäft und der Ent- wicklung neuer Fahrzeug- und Mobilitätskon- zepte vorzunehmen. Unabhängig von dieser Entscheidung wird die Digitalisierung rund um das Auto weiter voranschreiten. Damit müssen sich auch die organisatorische Aufstellung und die Ma- nagementmethoden von Herstellern und Zulieferern deutlich mehr in Richtung agile Arbeitsweisen entwickeln, um der zunehmen- den Bedeutung von Software und künstlicher Intelligenz erfolgreich zu begegnen. Thomas Schiller: Noch kann von einem Abge- sang auf die traditionelle Automobilindustrie keine Rede sein. Natürlich werden auch in Zu- kunft weiterhin attraktive und hochqualitative Fahrzeuge von den Kunden nachgefragt wer- den – egal ob autonom und als eigenes Fahr- zeug oder als Nutzer von Mobilitätsleistungen. OEMs und Zulieferer müssen allerdings jetzt die richtigen Weichen stellen, um auch in Zu- kunft aktive Gestalter der Mobilitätskonzepte von morgen zu sein. Sonst droht eine Foxcon- nisierung und die Rolle als Hardware-Lieferant mit geringen Profitmargen. Autonomes Fahren: Hype oder Realität? www.deloitte.com/de/ autonomous-driving Webseite Dr. Thomas Schiller Thomas Pottebaum Bilder: © Deloitte Firmenprofil Deloitte Rosenheimer Platz 4 81669 München Telefon +49 89 29036-0 Telefax +49 89 29036-8108 www.deloitte.de Deloitte erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Risk Advisory, Steuerberatung, Finan- cial Advisory und Consulting für Un- ternehmen und Institutionen aus allen Wirtschaftszweigen; Rechtsberatung wird in Deutschland von Deloitte Legal erbracht. 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