OEM&Lieferant Ausgabe 1/2018

26 Herr Beyer, zunächst wollen wir uns bei Ihnen bedanken, dass Sie uns als Ge- sprächspartner zur Verfügung stehen. Unsere erste Frage: Welche Produktbe- reiche bzw. Technologien sind in dem beschriebenen Veränderungsprozess besonders betroffen? Lars Beyer: Neben rein elektrisch angetriebe- nen Fahrzeugen, deren Marktanteil nur in spe- ziellen Märkten kurzfristig >5% werden wird, ist der Hauptfokus zur Zeit die Vervollständigung der Produktpalette um Hybride. Dies gilt für die OEMs wie auch für die Systemlieferan- ten. Dies ist der derzeit beste Weg, um die Verbräuche zu senken, die Abgasnormen zu erfüllen und damit Strafzahlungen zu entge- hen. Auch in China ist die Quote nicht höher. Die oft zu lesenden zehn Prozent für 2019 ent- sprechen tatsächlich einem Punktesystem, bei dem ein Hybrid oder reines E-Fahrzeug je nach Reichweite zwischen zwei und fünf Punkten erhält. Bereinigt reden wir auch hier über eine Quote von zwei bis vier Prozent. In der Übergangsphase zur E-Mobilität wird die klassische Antriebstechnik wei- ter nachgefragt werden. Was bedeutet das für die Zulieferer? Lars Beyer: Der Ausbau von Hybriden wird an klassischen Technologien nichts rauben, son- dern eher noch für deren gesteigerten Bedarf sorgen. Dazu kommen neue Technologien für Elektronik, Elektrik und Software. Um Ihre Fra- ge zu beantworten, in der Summe gehe ich von einer sehr, sehr langen Übergangsphase aus. Die Unternehmen sollten nicht in Hektik ver- fallen, sondern strategisch ihre Stärken nutzen und ausbauen. Hat der deutsche Mittelstand denWandel verschlafen oder ist man gut gerüstet? Lars Beyer: Beides! – Die deutsche Zulieferin- dustrie mag langsamer und konservativer sein, als hippe Newcomer aus Kalifornien. Jedoch ist sie der vielleicht bedeutsamste Teil der globalen Automobilindu- strie. Wenn wir schließ- lich etwas machen, dann hat es Hand und Fuß und wird mit Vehemenz und technologischer Perfor- mance vorangetrieben. Langfristig wird sich dieser technische Sach- verstand auch in den Lö- sungen der New-Mobility behaupten. In welchen Technikfel- dern vollzieht sich der Wandel am intensivs- ten? Lars Beyer: Das Auto wird digital. Dieser Trend wurde durch die Jagd auf Kunden, die in einer vernetzen Welt groß werden, maßgeblich be- schleunigt. Auch finden sich neuerdings viele markenspezifischen Merkmale neben dem Design auch in den digitalen Funktionen, z. B. Werbung für Autos mit Smartphone-Konnek- tivität. Die Zulieferindustrie hat sich in der Ver- gangenheit in erster Linie bis hin zur Ent- wicklungs- und Systempartnerschaft an den OEMs orientiert. Mit Google, Apple, Zoox oder Uber erscheinen neue, bis- her branchenfremde Wettbewerber am Markt. Müssen sich die Zulieferer um- orientieren? Lars Beyer: OEM-Innovationsbudgets und ge- nerell die Wertschöpfung im Auto werden zu- nehmend einen Fokus auf Elektrik, Elektronik und Software haben. An diesen neuen Anfor- derungen wird sich die Zulieferindustrie an- passen. Was das für den einzelnen heißt, kann man nur spezifisch beantworten. Ein Experte fürs Feinschneiden wird kein neues OS entwi- ckeln. Besteht aber bereits ein Marktzugang zu Systemen, die sich intelligenter darstellen lassen, so ist man derzeit gut beraten, hier in zusätzliches Know-How zu investieren. Einerseits gehen die großen Systemliefe- ranten massiv in die Vorwärtsintegration und machen sogar ihren eigenen Kunden – den OEMs – Konkurrenz. Andererseits erscheinen Low-cost-supplier am Markt. Droht der Mittelstand zwischen diesen Polen zerrieben zu werden. Lars Beyer: In der Tat bieten große System- lieferanten bereits ganze Antriebsstrang- konzepte für Elektro- und Hybridantrieb an, z.B. Delphi. Ich nenne dies Tier 0,5-Ebene. Mögliche Kunden sind aufstrebende asi- atische OEMs, die diese gesamtheitliche Entwicklungskompetenz nicht haben.Aber auch im klassischen Tier 1 gibt es eine im- mer höhere Leistungsdichte der etablierten Lieferanten. Für den Mittelstand ändert sich hier im Wesentlichen die Kunden- und Wettbewerbsstruktur. Aber es entstehen auch Chancen im Komponentenbereich, der von den großen Lieferanten zugunsten der Systemplattformen outgesourced wird. Wird der klassische deutsche Mittelstand von der New Mobility abgehängt? Interview mit Lars Beyer, Leiter Vertrieb und Marketing, Rollax GmbH & Co. KG E-Mobilität, autonomes Fahren, Dieselgate – Themen und Tendenzen, die derzeit nicht nur die deutsche, sondern weltweit die gesamte Automobil- und Zulieferindustrie durcheinanderwirbeln. Tradierte Geschäftsmodelle lösen sich auf. Neue Wettbewerber treten auf den Plan und Märkte verändern sich rasant. Wie können sich in diesem Umfeld mittelständisch strukturierte Zulieferunternehmen behaupten? Dr. Rudolf Müller sprach mit Lars Beyer, Leiter Vertrieb und Marketing, der Rollax GmbH & Co KG. Elektromobilität Bild: © Rollax GmbH & Co.KG Lars Beyer

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